Samstag, Januar 14, 2012

Der schönste Tag im Leben - Beginn des perfekten Glücks oder eines Katastrophenprogramms?

 
Der schönste Tag im Leben 
ist angeblich der Tag der Hochzeit

(oder - ganz hetero-unnormativ - der Tag der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, die man neuerdings - nach dem Regierungswechsel zu grün-rot - nun auch überall in BW auf dem Standesamt begehen kann). 

 
In früheren Zeiten 
war der Tag der Hochzeit auch der Tag, an dem der Vater seinem Sohn den Hof oder das Geschäft übergab und an dem seine frisch gebackene Ehefrau endlich(?) die Herkunfts-Familie verlassen konnte in der Hoffnung auf ein neues eigenes oder halb-eigenes Leben. Die Ehe war eine Versorgungs-Gemeinschaft, das Familien-Glück eine Erfindung der Mitte des 18. Jahrhunderts, denn bis dahin galt die Liebe (zu Recht?) nicht als geeignete Grundlage für eine stabile lebenslängliche Beziehung; man konnte sich nicht vorstellen, auf ein so extrem vergängliches Gefühl wie die Liebe eine verlässliche Verbindung aufzubauen.  (Es kam zu der Zeit immerhin die Vorstellung auf, dass nach der Verehelichung - die nach ökonomischen und Standesgesichtspunkten eingefädelt wurde - sich mit der Zeit Liebe und Vertrautheit einstellen würden; Liebe galt als eine mögliche Folge der ehelichen Beziehung, aber nicht als Grundlage dafür.) - Und wenn der Tod die Ehe schied, dann gab es Regeln, wie die Witwe wieder einen Ernährer fand oder der Witwer eine Frau für die Kinder...

Wer heute eine Familie gründet, 
tut das eigentlich wider besseres Wissen, sagt die 35-Jährige Autorin und Journalistin, weil sie mehr Familien scheitern gesehen hat  als dass sie glückliche Familien erlebt hat.  Für diese Generation sei die Frage, wie sie es schaffen kann, in einer Beziehung stabile emotionale Verhältnisse zu erreichen. Die lebenslange Liebe scheint nicht wirklich machbar zu sein, ein Auslaufmodell -  Beziehungen halten 8-10 Jahre und brechen dann auseinander. Die Frage ob Kinder da sind oder nicht, scheint nicht mehr von Gewicht zu sein, man trenne sich mit Kindern genau so wie ohne. - 

Trotzdem 
werden all diese Beziehungen so gelebt, als seien sie von Dauer, man sagt sich selber und dem Partner, dass man das ganze Leben zusammen bleiben wird.  - Und dem nächsten Partner, der danach kommt, (und sich selber), verspricht man wieder, dass man das ganze Leben zusammen bleiben wird. - Leben als ob. Eine paradoxe Situation: Trotz der Erfahrung des "Scheiterns", versucht man es doch immer wieder - in der Hoffnung: "Das hält jetzt". 

Gemessen an dem Idealbild der Familie, sagt der Forscher, sind die real existierenden Familien eigentlich Katastrophenprogramme. Auch die ersten literarischen Quellen, die von Familien handeln, sind Katastrophenprogramme: Die bürgerlichen Trauerspiele des 18. Jahrhunderts. Die Familie lebt davon, dass man an ihrem Ideal zu Schanden geht, und dass sie Erwartungen weckt, die sie nicht erfüllen kann. Das scheint gerade ihre Faszination auszumachen.

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Trotzdem - oder deshalb - boomen Zeitschriften, die das junge Familienglück ästhetisieren, z.B.: NIDO - Wir sind eine Familie. Und wenn sich nun noch winterliche Ruhe über das Land legt, wie in der Zeitschrift Landlust, und die Familie zusammen mit den Kindern die Marmelade wieder selber einkocht - dann scheint die Biedermeier-Idylle perfekt. "Biedermeier gibt es immer wieder", so der Wissenschaftler, - als Reaktion auf eine Ungewissheitslage; immer wenn die wirtschaftliche Lage ungewiss ist, die Angst vor der Zukunft wächst, dann entstehen die Phantasmen des geschützten Heimes. 

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"Liebe lieber unvollkommen" ist der Titel eines interessanten Artikels im SPIEGEL vom 23.12.2011, der auch als pdf-Datei für den privaten Gebrauch herunter geladen werden kann. 




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