Freitag, Juli 19, 2013

Wer kämpft mit und gegen wen in Syrien?

Präsentation über Zivilgesellschaft in Amuda


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»Die syrische Revolution wurde sehr schnell von ausländischen Mächten vereinnahmt, die das Land zum Schauplatz gleich mehrerer Stellvertreterkriege machten. Deshalb schließen sich die beiden konkurrierenden Darstellungen des Konflikts in Syrien -
  • die diesen als Revolte des Volkes 
  • oder aber als geopolitischen Konflikt schildern - 
keineswegs gegenseitig aus. 

Beide Dimensionen existieren gleichzeitig nebeneinander, wobei die erste zwischen März und Oktober 2011 vorherrschte und die zweite seit Juli 2012 immer dominanter wird. [...]
  • Als Assads entschiedenster Unterstützer hat sich Russland erwiesen. Putin ging sogar so weit, durch sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat dreimal eine gegen das Assad-Regime gerichtete Resolution zu verhindern. Die Gründe für die russische Position sind vielschichtig.
  • Eine einfachere Erklärung gibt es für die Unterstützung des Assad-Regimes durch den Iran. Für Teheran geht es darum, seinen einzigen arabischen Verbündeten zu schützen und die Nachschubwege für die Hisbollah offen zu halten. Die syrisch-iranische Allianz beruht auf einem alten strategischen Pakt, der aus dem Jahr 1980 datiert, als die iranische Revolution gerade mal zwei Jahre war.  Präsident Hafiz al-Assad, der Vater des heutigen Präsidenten, war damals weitgehend isoliert, und die Beziehungen zu seinem baathistischen Intimfeind Saddam Hussein im Irak und zur Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Jassir Arafats waren auf ihrem Tiefpunkt angelangt. Dieses syrisch-iranische Bündnis hat harte Prüfungen überstanden, vor allem im Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988. Doch alle Versuche, diese Allianz zu sprengen, sind gescheitert. Seit Beginn der syrischen Revolution im März 2011 wird Assad vom Iran mit allen Mitteln unterstützt.
  • Auf der anderen Seite unterstützen die drei einflussreichsten sunnitischen Mächte der Region - die Türkei, Saudi-Arabien und Katar - die syrischen Rebellen mit allen Mitteln. Nachdem die Türkei für kurze Zeit versucht hatte, einen Kompromiss zwischen dem Regime und den syrischen Muslimbrüdern herbeizuführen, bekennt sich Ankara inzwischen klar zu dem Ziel, das Assad-Regime zu stürzen. 
  • Für die beiden Golfstaaten geht es vor allem darum, den Einfluss ihres Erzfeindes Iran zu beschränken, auch auf die Gefahr hin, dass der konfessionelle Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten eskaliert.
  • Das Emirat Katar hat sich gleich nach Ausbruch des syrischen Konflikts entschieden, die syrischen Muslimbrüder zu unterstützen (wie bereits zuvor bei den Revolutionen in Tunesien und Ägypten). Laut Financial Times hat Katar für die Bewaffnung der syrischen Rebellen bislang 3 Milliarden US-Dollar ausgegeben.
    Katar setzt bei seiner Syrienpolitik ganz auf die Karte der Nationalen Syrischen Koalition und hat Ghassan Hitto, der den Muslimbrüdern nahesteht, als Ministerpräsidenten der Exilregierung durchgesetzt.
  • Einige Monate später als die Katarer haben auch die zunächst zögernden Saudis begonnen, im syrischen Konflikt mitzumischen. Da man in Riad aber den Muslimbrüdern feindlich gesinnt ist, unterstützt man eher die salafistischen Gruppierungen. Wobei die Saudis gegenüber Gruppen, die der al-Qaida nahestehen, misstrauisch bleiben; schließlich hat das Terrornetzwerk im wahhabitischen Königreich mehrere Anschläge verübt.
  • Aus israelischer Sicht galt das syrische Regime lange Zeit als geringstes Übel, als Garant für Stabilität an der Grenze. Das hat sich seit dem Julikrieg 2006 gegen die Hisbollah geändert. Damals wurde klar, dass die Unterstützung aus Damaskus für den Widerstand der Hisbollah entscheidend war. Seitdem hat sich in Israel auch die antiiranische Rhetorik verstärkt. Allerdings vertrat der ehemalige Mossad-Direktor Efraim Halevy noch Anfang Mai die Ansicht, dass Assad denjenigen, die ihn stürzen wollen, vorzuziehen sei. Für Halevy ist Assad sogar "der Mann Israels in Damaskus".
  • Die israelfreundlichen Kreise in den USA sind in der Frage, wie mit der Situation in Syrien umzugehen sei, geteilter Meinung: So plädiert etwa Dennis Ross, ehemaliger Berater im Weißen Haus, für eine Intervention der USA gegen das Assad-Regime. Dagegen rät der Historiker Daniel Pipes, einer der vehementesten Fürsprecher Israels in den USA, das syrische Regime zu unterstützen und auf eine Verlängerung des Konflikts zu setzen.
  • Die Ideallösung für die USA wäre ein Rücktritt Assads bei gleichzeitigem Fortbestehen des Kernregimes. Dies ist auch das treibende Motiv hinter der US-russischen Initiative für eine Friedens-Konferenz in Genf, die ursprünglich im Juni stattfinden sollte.- Dieser Forderung schlossen sich jüngst auch mehr als 100 syrische Intellektuelle an und forderten die Bildung einer Übergangsregierung. Die Unterzeichner, darunter der Schriftsteller Rafik Schami, der Philosoph Sadek Jalal al-Azm, die Schriftstellerinnen Rosa Yassin Hassan und Samar Yazbek sowie der Publizist Yassin al-Haj Saleh, fordern "eine politischen Lösung, damit das Blutvergießen ein Ende hat und die staatliche Einheit des Landes bewahrt" werde.
  • Das Assad-Regime hat seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, an einem solchen Treffen teilzunehmen. Allerdings ist fraglich, ob die Konferenz überhaupt stattfinden wird.
All diesen äußeren Mächten geht es in erster Linie um die Wahrung ihrer eigenen Interessen - die der syrischen Bevölkerung bleiben dabei auf der Strecke. [...]«
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Apropos Muslimbrüder:

Hassan al-Bannas 1935
Gegründet  wurden sie 1928 in Ägypten von Hassan al-Bannas. Seit ihrer Gründung lehnen sie Gewalt-Anwendung ab. 
»Ziel der neuen Gemeinschaft war die Verbreitung islamischer Moralvorstellungen und die Unterstützung wohltätiger Aktionen und sozialer Einrichtungen, aber auch die Befreiung des Landes von der fremden Okkupation sowie der Kampf gegen die britisch-westliche „Dekadenz“.« [wikipedia]. Ab 1972 übernahm Omar at-Tilimsani die Führung der Muslimbruderschaft und propagierte ausdrücklich den gewaltlosen Kampf.

Omar at-Tilimsani
Der ägyptische Anwalt Ahmed Yahya, Jahrgang 1983, selber Muslimbruder, ist Koordinator der Bewegung "Muslimbrüder ohne Gewalt". Er sagt: Seit ihrer Gründung lehnen die Muslimbrüder die Gewalt ab. "Doch die derzeitige Führungriege stachelt zu Gewalt an. Zum Beispiel der Ägypter Mohammed al Beltagi". "Ich habe gegen unsere Führung und Mohammed Mursi demonstriert, weil sie die Bruderschaft in den Abgrund führen. Der Islam ist eine Religion der Mäßigung, Nächstenliebe und Toleranz. - Wenn Mohammed Mursi auf die Forderung der ägyptischen Demonstanten gehört und Neuwahlen angekündigt hätte, wäre das Militär nicht eingeschritten. Dann wäre er jetzt noch Präsident des Landes, und uns wäre ein blutiger Konflikt erspart geblieben."
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Siehe auch:

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