Samstag, Oktober 03, 2015

Flüchtlinge - Islam - Homosexualität und die Evangelische Kirche

Boris Palmer: 

[...] »Deutschland braucht jetzt passende Lösungen, um mit dieser riesigen Zahl von Flüchtlingen umzugehen. [...]
Die Schmerzgrenze der ganzen deutschen Gesellschaft wird sich bald zeigen. 
Denn es kommen eben nicht nur Ingenieure und Akademiker zu uns, sondern weitaus mehr Analphabeten. Wir werden einen harten Konkurrenzkampf erleben um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, aber auch um Wohnraum mit dem unteren Fünftel der jetzigen Gesellschaft.


[...] Ich beziehe mich da auf den Soziologen Heinz Bude: Wir sind derzeit in der Phase des Flüchtlings-Idealismus, aber wir werden rasch feststellen, dass der nicht trägt. Denn er überfordert ganz Europa. Wir werden zu einer pragmatischen Sicht kommen müssen. [...] 
Derzeit sind über 70 Prozent der Flüchtlinge junge Männer, die ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft haben als wir Grüne. Machen wir uns nichts vor: Die Aufgabe ist riesig. Es gibt eine objektive Integrations- und Belastungsgrenze.
Dass wir die bisher abstrakt ignorieren konnten, lag nur daran, dass nicht so viele Menschen gekommen sind.[...] «   
(Quelle

Anmerkung:
Es sind nicht nur "geflüchtete junge Männer", die in Deutschland "ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft" haben, sondern auch manch eingeborene deutsche Ur-Einwohner.  - Oder?
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[...] »Nach meinem Verständnis 
soll die evangelische Kirche Beiträge zur Urteilsbildung in einer säkularen und pluralen Gesellschaft liefern. [...]
Quelle: EKHN
Nach meinem Verständnis ist der Kirche vom Kern ihrer Botschaft her ein besonderer Blick aufgetragen. Es geht darum, diejenigen in den Blick zu nehmen, die in irgendeiner Weise an den Rand gedrängt werden, die diskriminiert werden, denen Unrecht geschieht. Das ist der Blick der Propheten Israels in den Büchern des alten Testamentes und das ist der Blick des Jesus von Nazareth.

Wenn sich Kirche äußert, hat sie zum einen zu erläutern, aus welchen theologischen Gründen sie so redet, wie sie redet. In der säkularen Gesellschaft kann und darf aber nicht erwartet werden, dass diese Argumentation von allen geteilt wird. Deshalb hat sie zum
anderen auch zu sagen, warum das, was sie inhaltlich sagt, auch in säkularerer Perspektive für  sinnvoll hält. [...]

Doch der Reihe nach.

Flüchtlinge.
Wer das Thema Flüchtlinge aus der biblischen Tradition angeht, entdeckt, dass die Bibel voll ist von Geschichten zum Thema Flucht und Leben und Überleben in der Fremde. Dem alten Volk Israel ist, weil es selbst ein Volk in der Fremde war, die Sorge um die Fremden besonders ans Herz gelegt. „Den Fremden sollst du nicht bedrücken.“ Jesus selbst sagt in der Rede vom Weltgericht im Matthäusevangelium: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“ Die biblischen Grundgedanken dabei sind zwei.
  1. Erstens: Bedenke, dass du selbst Fremder sein kannst. 
  2. Zweitens: Im Fremden begegnest du Christus und in ihm Gott. 
Das könnte man nun theologisch sehr vertiefen. Aber all das sind genügend Gründe, warum Menschen, die sich davon ansprechen lassen, sich um Fremde zu kümmern. Wer sagt, man müsse die Flüchtlinge abwehren, um das christliche Abendland zu schützen, hat meines Erachtens Entscheidendes nicht verstanden. Gleichwohl kann natürlich nicht erwartet werden, dass die Argumentation, die sich an der biblischen Botschaft orientiert,von allen nachvollzogen und geteilt wird. Deshalb ist es nötig, sich darüber zu verständigen, dass die Sorge um den Fremden, die Sorge um die Flüchtlinge, ein Gebot der Menschlichkeit ist, die sich auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes bezieht.  Und es ist dann natürlich nötig, auch eine gesellschaftliche Verständigung darüber herbeizuführen, wie diese Sorge um den Fremden politisch verantwortlich gestaltet werden kann.
[...]

Islam. 
Ja, es macht Menschen Angst, was zurzeit in Irak und Syrien geschieht.

Ich glaube, wir tun gut daran, zu sehen, dass dies nicht nur Christinnen und Christen Angst macht, sondern auch und vor allem Muslimen in den betroffenen Ländern und hier bei uns.
Ich werbe sehr dafür, dass Menschen sich einen differenzierten und differenzierenden Blick bewahren.
Genauso wenig, wie ich mit irgendwelchen seltsamen christlichen Fundamentalisten in einen Topf geworfen werden möchte, so wenig wollen die allermeisten Muslime hier in unserem Land etwas mit dem zu tun haben, was der sogenannte Islamische Staat als islamische Lehre vertritt. 
 

Als Kirchenmann frage ich mich: 
Was haben wir als Christinnen und Christen zu tun? Immer wieder bekomme ich zu hören – auch und gerade in jenen Reaktionen, von denen ich erzählt habe: Lasst euch nicht täuschen. Kein Schmusekurs mit den Muslimen. Härte gegenüber dem Islam. Gewiss Religionsromantik ist fehl am Platz.

Trotzdem trete ich denen entgegen, die sich in Talkshows und Interviews ein bisschen mehr Kreuzzugsrhetorik wünschen. Ich werbe für das Gespräch. Ich werbe für die Begegnungen – von Mensch zu Mensch. Auch hier argumentiere ich „innerchristlich“ so: Das ist der Weg, den Jesus gewiesen hat – der hat von der Liebe, ja sogar der Feindesliebe geredet. Gesellschaftlich und politisch kann ich auch hier nicht erwarten, dass alle diesen Weg mitgehen. [...]

Homosexualität. 
Vielleicht sind Sie überrascht, hoffentlich nicht verärgert, dass ich diese Abfolge gewählt habe.
Ich sehe eine unselige Verbindungslinie zwischen diesen Themen, die sich in den heftigen Reaktionen ausdrückt, die ich eingangs beschrieben habe.
Immer wieder meinen Menschen, gerade aufgrund der biblischen Tradition und zur Wahrung christlicher Werte, müsse sich Kirche anders positionieren, als sie es tut.
Meine Position zum Thema Flüchtlinge und Islam ist anders.
Ich argumentiere so: Gerade aufgrund der biblischen Botschaft meine ich, so argumentieren zu müssen, wie ich es tue – nämlich für die Offenheit gegenüber Flüchtlingen und für eine Begegnungskultur mit dem Islam. Und so argumentiere ich auch im Blick auf die Homosexualität. Mir und anderen wurde und wird immer wieder vorgeworfen: „Sie stellen sich gegen die Bibel! Die Bibel sagt eindeutig: Homosexualität ist ein Greuel (3. Mose 18,22).“ [...] Allerdings und das ist nun hier zu sagen: Auch eine einfache Berufung auf Bibelstellen taugt nicht für ethische Argumentation. Die Bibel ist kein moralisches Rezeptbuch. Was könnte man nicht alles mit der Zitation von einzelnen Bibelstellen begründen! Es geht um mehr. [...] «

Der ganze Text der Ansprache


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Das Kunstprojekt „Engel der Kulturen“ setzt sich für ein friedliches Miteinander der Religionen ein.

„Der Engel ist ein Symbol des Friedens und der Gemeinsamkeit“, sagt Carmen Dietrich. Bereits in über 80 Städten in ganz Europa hat sie gemeinsam mit ihrem Partner Gregor Merten das Kunstprojekt „Engel der Kulturen“ verwirklicht.

Quelle



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