Samstag, Oktober 15, 2005

Des SPIEGELs Gruselgeschichte über Mao

Am 1. Oktober 2005 erschien der SPIEGEL mit einer unsäglichen Titelgeschichte über Mao, den "großen Zerstörer".
Offenbar versucht der SPIEGEL gerade heftig, inhaltlich das konservative Magazin FOCUS politisch rechts zu überholen und in seinem Stil die Blätter der Regenbogenpresse möglichst tief zu unterbieten. - Schon im Bundestags-Wahlkampf in diesem Sommer fiel der SPIEGEL dadurch unangenehm auf, dass er mit falschen Zahlen des damaligen CDU-Schattenministers Kirchhhof Wahlwerbung für die CDU machte...

Der Spiegel beruft sich auf das neue Buch der Chinesin Juang Chang und will ihr helfen, "Maos Bild zumindest im Westen auf breiter Basis neu zu definieren".
Zwar gibt der Autor des Artikels an einer Stelle selber zu, dass Juang Changs Buch mit "Furor" (Raserei, Zorn. "Furie" ist die Rachegöttin und im übertragenen Sinne eine rachsüchtige Frau) verfasst sei, weil Changs Familie unter Mao gelitten habe. Doch gibt es für den Spiegel "keinen Grund, an dem Gesamtbild zu zweifeln". Warum auch? Dass "die Autoren den Quellen sogar Gewalt an[tun], indem sie Zitate sinnentstellend aus dem Zusammenhang reißen" macht nichts: Hauptsache rechts und immer drauf auf alles, was "links" ist. Das muss zur Qualitätssicherung von SPIEGEL-Titelgeschichten neuerdings reichen.

Dass in der Agrareform unter Mao von Ende der Vierzigerjahre bis 1952 in China rund 47 Millionen Hektar Land sowie Gebäude, Geräte und Vieh der Grundherren an 300 Millionen landlose oder landarme Bauern verteilt wurden, weiß der Autor nicht oder er will es nicht wissen. Auch der historische Kontext interessiert ihn offensichtlich nicht. Statt dessen schließt er sich Juan Changs Raserei an. -
Wer sich besser informieren will, kann z.B. nachlesen bei Oskar Weggel, Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, Kröner, Stuttgart 1989, oder im China-Handbuch, hrsg. von Wolfgang Franke, Bertelsmann Universitätsverlag, oder im Buch von William Hinton, Fanshen, Dokumentation über die Revolution in einem chinesischen Dorf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main...

Nachfolgend ein paar Kostproben, die man eigentlich nicht wirklich kommentieren muss, weil sie sich z.T. schon durch ihr Niveau selber disqualifizieren bzw. zeigen, wes Geistes Kind sie in Wirklichkeit sind: Kind des Furors und der Propaganda.

  • Mao ein "machtbesessener Egomane",
  • der "Junge fliegt von mehreren Schulen",
  • als Jugendlicher ist Mao "lesewütig", "berauscht sich" an der revolutioären Stimmung in China "und begeistert sich für den revolutionären Terror",
  • er beteiligt sich im Krieg an "erbitterten Ränkespielen",
  • fand "seine Erfüllung in der Zerstörung ... : Auf beinahe jeder Station seines Weges an die Macht hinterließ Mao Hekatomben (! sic) von Toten",
  • er lässt "in großem Umfang Mohn anbauen ... . Bis zu 40 Prozent der Einkünfte stammen aus dem Drogenhandel".
  • "Seinen Aufstieg finanzierte er mit Drogenhandel; Rivalen wurden schon in den dreißiger Jahren auf brutalstmögliche Weise beiseite geräumt. Später, als Diktator, opferte er beträchtliche Teile jener Massen, deren Glück zu wollen er vorgab, und zerstörte vielerorts die jahrtausendealte chinesische Kultur."
  • "Ein Netz aus vielen hundert Strafgefangenenlagern überzog das Land, in denen die Inhaftierten in Orwellscher Manier umerzogen werden sollten. Auf über 70 Millionen schätzen (!) Chang und Halliday die Zahl derjenigen, die der Tyrann erschießen, erschlagen oder verhungern ließ. Mao übertrifft damit Hitler und Stalin - die anderen großen Schlächter des 20. Jahrhunderts - bei weitem."
  • "Mao war eine Katastrophe für China und die Welt."
  • "Manche kommen [bei der Landreform] mit einer Tracht Prügel davon, andere werden in Salzwasser ertränkt, mit heißem Öl übergossen oder gesteinigt."
  • "Mao glaubt, Sex mit mehreren jungen Frauen gleichzeitig verlängere sein Leben."
  • "Mao wechselte ungern seine Garderobe und trug monatelang dieselben abgewetzten Leinenschuhe. Den größten Teil des Tages verbrachte er im Bett oder im Schwimmbad."
  • "Er lässt sich mehrere Dutzend aufwendige Residenzen bauen. Vor allem aber muss seine Entourage seine schier unerschöpfliche Lust auf Frauen befriedigen."
  • "Eine sogenannte Kulturtruppe aus jungen Mädchen vom Lande ist ihm dann zu Diensten. Bei Foxtrott, Walzer oder Tango führt er seine Partnerinnen über das Parkett. Ihre Aufgabe ist es, sich dem »Großen Vorsitzenden« in jeder Hinsicht gewogen zu zeigen - eine unangenehme Pflicht."
  • "Mao hält wenig von Körperpflege und gar nichts vom Zähneputzen."
  • "Als Anhänger taoistischer Sexualpraktiken glaubt er zudem, Sex mit mehreren jungen Frauen gleichzeitig verlängere sein Leben."
  • "Wer Getreide hortet oder zu spät zur Arbeit erscheint, wird lebendig begraben. Bis zu zehn Millionen Chinesen lässt er einsperren..."
  • "Wie einst Stalin presst er aus den Dörfern das Kapital..."
  • "Erschütternde Augenzeugenberichte liegen vor. Da wird von einem Ehepaar erzählt, das - wahnsinnig vor Hunger - seinen achtjährigen Sohn erwürgt und isst."
  • "Er spricht keine Fremdsprachen, und es fällt ihm schwer, sich in die Lage anderer Länder zu versetzen..."
  • "Maos Ehefrau Jiang Qing, ... die von vielen als ungemein bösartig beschriebene Frau ..."

Doch, solche Texte helfen ganz bestimmt, beim Spiegel-Leser (und bei der Spiegel-Leserin) "Maos Bild zumindest im Westen auf breiter Basis neu zu definieren". - Ob sie auch der Wahrheitsfindung dienen, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht auch in einem anderen Blatt. ;-)











Freitag, September 23, 2005

Sprich nicht mit den Schmuddelkindern. (Bundestags-Wahl 2005)

Bundestagswahl 1998: Linke Mehrheit: Rot-grün hat gewonnen.
Bundestagswahl 2002: Linke Mehrheit: Rot grün hat gewonnen.
Bundestagswahl 2005: Linkere Mehrheit. Rot grün wurde zwar abgewählt, aber das "linkere" Lager rot-rot-grün hat unterm Strich 19 Sitze hinzugewonnen, während schwarz-gelb unterm Strich 9 Sitze verloren hat.

Zur Erläuterung
Rot-grün hat 29 (SPD) +4 (Grüne) =33 Sitze verloren, dafür hat aber Linkspartei/PDS 52 Sitze dazu gewonnen. Macht netto 19 Sitze mehr für die "linkeren" Fraktionen.
Die CDU hat 23 Sitze verloren, die FDP 14 dazu gewonnen, das macht ein Minus von 9 Sitzen für schwarz-gelb.
Rot-rot-grün hat 327 Sitze im Bundestag, schwarz-gelb 286. Eine stabile "linke" Mehrheit.


Kurz gesagt: Die WählerInnen sind nach links gerutscht.
Das war auch nicht wirklich anders zu erwarten, weil die SPD unter Schröder in NRW und anderswo und auch im Bund vor allen Dingen deshalb immer mehr WählerInnen verloren hat, weil sie eine zunehmend neoliberale Wirtschaftspolitik vertreten hat. - Bei den früheren Wahlen blieben die meisten sozialdemokratischen Stamm-WählerInnen einfach zuhause; jetzt sahen offenbar einige von ihnen in der Linkspartei eine Alternative: Trotz ausgesprochen hämischer Behandlung in großen Teilen der Presse kam die Linkspartei auch in einigen der alten Bundesländern wie Saarland, Rheinland-Pfalz, NRW deutlich über die 5%-Hürde.

Nichtsdestotrotz: Auch bei diesen Wahlen blieben wieder viele WählerInnen zuhause. Die Wahlbeteiligung war mit 77,7% die schlechteste bei Bundestagswahlen seit Jahrzehnten. (2002: 79,1%/ 1998: 82,2%/ 1990: 77,8%/ 1972: 91,1%...). - Eine soziologische Analyse der Wahlergebnisse zeigt, dass viele ehemaligeSPD-WählerInnen, besonders aus der Arbeiterschaft nicht zur Wahl gegangen sind und sich der Stimme enthielten.
Dasselbe Bild bei der CDU: Erhebliche Teile der früheren Unions-Anhänger aus der Arbeiterschicht und der unteren Hälfte der sozialen Pyramide behielten ihre Stimme für sich und gingen nicht in die Wahllokale.

Ich glaube, es war Martin Luther King, der in den 50er Jahren gesagt hat: Noch nie wurde eine Revolution gemacht, weil es den Leuten schlecht ging. Revolutionen werden dann gemacht, wenn die Leute Hoffnung haben und eine Perspektive sehen. - Was für Revolutionen gilt, gilt im übertragenen Sinne auch für Wahlen: In keiner Partei sehen die WählerInnen wohl eine wirkliche Perspektive, und immer mehr bleiben daheim oder nutzen den Sonnenschein am Wahltag lieber zum spätsommerlichen Spaziergang.


Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Was passiert nun bei den Koalitionsverhandlungen? Niemand spricht mit Linke/PDS, obwohl das die Partei mit dem größten Zuwachs ist und mehr Sitze bekommen hat als die Grünen (54 gegenüber 51). "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder" (textete Liedermacher Franz Josef Degenhardt, Jahrgang 1931, vor vielen, vielen Jahren).
Man mag von Lafontaine halten, was man will. Immerhin, so Kabarettist Deutschmann: Er predigt nicht Wasser und trinkt Wein, sondern er trinkt Wein und predigt Rotwein dür alle. Zwar ist er oft populistisch, dazu ein Salonsozialist und führte als Ministerpräsident des Saarlandes ein fürstliches Leben mit guter Küche und Spitzenkoch, - Aber immerhin ist er nicht irgendein Dahergelaufener, sondern war einmal Kanzlerkanditat der SPD, Finanzminister unter Kanzler Schröder und Ministerpräsident eines Bundeslandes...
Und sein Kompagnon Gysi kann wohl den meisten anderen Politikern in Bundestag und Regierung gut das Wasser reichen.
Warum wird nicht wenigstens mit ihnen gesprochen? Unabhängig davon, ob ihre Konzepte nun wirklich machbar und das Gelbe vom Ei sind?
Die Wählerschaft rückte etwas weiter nach "links" (sofern sie sich nicht der Stimme enthielt) - die neue Regierungs-Koalition wird ziemlich sicher weiter nach "rechts" rutschen.

Ich glaube nicht, dass diese Art der Koalitionsverhandlungen - was immer dabei auch herauskommen wird - dazu beitragen kann, das Vertrauen der BundesbürgerInnen in die Parteiendemokratie zu stärken.
Oder?

Dienstag, September 06, 2005

New Orleans: Falscher Feind und falsche Opfer

Viele Menschen sind empört über Präsident Bushs Verhalten nach dem Hurrikan Katrina, der New Orleans verwüstete: Warum ließ sich Bush so lange nicht blicken? Warum hat das neue Heimatschutzministerium versagt? Warum kann man schnell Kampftruppen in den Irak und Hilfstruppen zu den Tsunami-Opfern nach Indonesien schicken, aber nicht nach New Orleans....???


Eine mögliche Antwort:

Es war der falsche Feind. Wenn der Schaden, wie am 11. September in New York an den Twin Towers, von islamistischen Terroristen angerichtet wird, dann kann die US-Regierung die Krise als Chance sehen, die Gelegenheit nutzen, und mit großem Tamtam und großem materiellen und propagandistischen Aufwand den Feldzug gegen das Böse in Afghanistan, Irak und gegen andere sog. Schurkenstaaten starten, den man schon lange geplant hatte.
Wenn der Feind aber ein Wirbelsturm, die Natur ist...?


Eine weitere mögliche Antwort

Die falschen Opfer. Die Opfer haben eine Hautfarbe: Schwarz. Und sie sind arm. Betroffen ist nicht die weiße Mittelschicht, sondern die arme, schwarze Unterschicht. Der schwarze Bürgerrechtler Jesse Jackson, früher Mitarbeiter von Martin Luther King, ist empört und stellt die Frage, ob es nicht eher Rassismus und Gleichgültigkeit gegenüber diesen Opfern war als Inkompetenz, Unfähigkeit und Ineffektivität. - Die Wohlhabenden der Stadt, die sich in erster Linie aus Weißen und Kreolen rekrutieren, lebten in höher gelegenen Teilen der Stadt, konnte sich sichere Ausweichquartiere leisten oder im eigenen Landrover die Stadt rechtzeitig verlassen...
Schon vor einem Jahr spielte sich Ähnliches ab: Vor dem Hurrikan Ivan wurde New Orleans präventiv evakuiert - aber die gesamte arme Bevölkerung, Alte, Menschen ohne Auto und viele Schwarze blieben in der Stadt zurück.


Eine weitergehende Antwort...

... gibt der Historiker und Soziologe Mike Davis in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 5.9.: New Orleans ist seit Jahren berüchtigt, so sagt er, weil dort versucht wird, die arme schwarze Bevölkerung aus der Stadt zu verteiben. Die Eliten der Stadt hätten das gemeinsame Ziel, New Orleans zu verbürgerlichen. Die Hütten der Armen und die Armen selber werden als Hindernis dabei gesehen, die Stadt in einen Themenpark zu verwandeln. Die Vernichtung der Hütten durch den Wirbelsturm und die anschließende Evakuierung der Bevölkerung biete den Eliten nun die einmalige Chance, ihre Vision auf dramatische Weise zu realisieren. "Es wurde bereits entschieden, diese Menschen nicht zu retten".
Die meisten der Opfer haben keine Versicherung und alles verloren. Davis geht davon aus, dass man die Armen, und das sind in erster Linie die Schwarzen, aus der Stadt haben bzw. nicht wieder in die Stadt zurücklassen will. "Deshalb blieben auch so viele zurück: Sie folgtem ihrem Instinkt und klammerten sich an die Stadt".
Nach seiner These wäre der Wirbelsturm ein Geschenk für die Eliten der Stadt gewesen, die dadurch ihre lang gehegten Pläne zur Neu-Strukturierung der Stadt endlich umsetzen können.
Man könnte hinzufügen: So wie die Katastrophe vom 11. September eine Chance für die Bush-Regierung war ... Carpe diem.

Samstag, September 03, 2005

Es wird bergab gehen: Weniger Arbeitsplätze, weniger Sicherheit, weniger Reichtum

So sieht es Prof. Ulrich Beck, Direktor des Soziologischen Institutes der Uni München, in einem Vortrag, den er am 2.9. in Frankfurt hielt.

Es kann und wird keine Vollbeschäftigung mehr geben können,
meint Prof. Beck. Man müsse sich von dieser Vorstellung verabschieden. Da helfe auch kein Wirtschaftswachstum. Was bisher als Ausnahme galt und gilt, nämlich wechselnde Jobs, das werde künftig Normalität sein, auch in Deutschland: Die angeblichen "Job-Wunder" in USA und GB beruhen darauf, dass die Menschen wechselnde Jobs haben müssen, manchmal mehrere gleichzeitig nebeneinander, um ihre Familie ernähren zu können. Wer versuche, mit alten Forderungen ("Wachstum, Wachstum, Wachstum") auf neue Herauforderungen (z.B. die Krise des Sozialstaats, das Altern der Bevölkerung...) zu reagieren, der handele wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt, und hilflos mit den Beinen in der Luft strampele.

Deutschland verwandelt sich in eine Gesellschaft des Weniger
Aber unser Weniger hier in Deutschland sei das erstrebenswerte Mehr für die Menschen in aufstrebenden Länder wie Polen, Slowakei, China...
(Einen ähnlichen Gedanken vertritt auch Prof. Dr. oec. Friedhelm Hengsbach, geboren 1937 in Dortmund, Professor für christliche Gesellschaftsethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen und Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts. Siehe Post von Anfang Dezember 2004 "Arbeitsplätze verlagern = Internationale Solidarität")

Es handele sich nicht um eine Krise, sondern um eine Verwandlung. Es gebe kein Zurück zum alten Zustand, so Beck.

Es gibt keine Lösung im nationalstaatlichen Rahmen
Der einzelne Staat sei machtlos. Nur auf der Ebene des Europa der 25 Staaten können Antworten auf die globalen Abhängigleiten erprobt werden.

Das utopische Ziel für Europa
sei eine Gesellschaft,
  • in der Vollbeschäftigung nicht mehr das zentrale Ziel ist,
  • in der Demokratie nicht mehr nur national definiert wird,
  • in der Grundsicherung etabliert wird, damit neue Aktivitäts- und Identitätsformen jenseits der Erwerbsarbeit entstehen können.
"Ich weiß nicht, wie ein solches Wunder realisiert werden kann, aber ich weiß, dass auf diesem weg die meisten unserer Probleme - wenn überhaupt - gelöst werden können".
-Meint Ulrich Beck.
- Kommentare erwünscht.

Finanzexperte der CDU, Paul Kirchhof, kann nicht rechnen

Kirchhof kann nicht rechnen: Der Spiegel veröffentlicht ungeprüft
Der Spiegel behauptet in seiner aktuellen Ausgabe (Ende August), dass Kirchhoffs Steuermodell die Reichen belastet. Allein, nachdem die Attac-AG Steuern das nachgerechnet hat, stellt sich heraus: Das entsprechende Beispiel stimmt gar nicht, wie der Spiegel inzwischen selber zugegeben hat. - Mit seiner ungeprüften und falschen Veröffentlichung hilft der Spiegel mit, kurz vor der Bundestagswahl der CDU und ihrem Finanzexperten ein soziales Mäntelchen zu verpassen. Der 1. Versuch ist dank Attac fehlgeschlagen. (Siehe Stellungnahme von attac).

2.9. 05: Zweiter Versuch: Kirchhof kann immer noch nicht rechnen
Kirchhof rechnet sein Steuermodell schön: Die falschen Zahlen im Spiegel stammten von Kirchhofs Institut selbst. Auch in der korrigierten Form enthalten sie Fehler und unseriöse Annahmen. (Stellungnahme der Attac-AG Steuern von attac als pdf-dokument).

Die Gewerkschaft ver.di und Attac haben im Mai 2004 ein Konzept für eine "Solidarische Einfachsteuer" vorgesstellt: "Gerechte Steuern - Öffentliche Finanzen stärken".

Donnerstag, September 01, 2005

Paul Kirchhof im "Gruselkabinett"

Der parlamentarische Geschäftsführer der GRÜNEN, Volker Beck, kritisiert, dass Angela Merkel mit Paul Kirchhof als Finanzexperten und eventuellem Minister in ihrem Schatten-Kabinett ein "gesellschaftspolitisches Gruselkabinett" präsentiert habe.
Und die SPD-Familienpolitikerin Christel Humme meint: "Kirchhofs Familienbild ist darauf fixiert, dass Mütter zurück an den Herd gehören".

Papst Benedikt, Experte Kirchhof und Kardinal Meisner...

...befinden sich gesellschafts- und familienpolitisch gesehen in allerbester Gesellschaft.
  • Das vom Bundestag verabschiedete Lebenspartnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtlich orientierte Paare bezeichnet Kirchhof als "Pervertierung des Verfassungsauftrags".
  • "Die Mutter macht in ihrer Familie Karriere, die nicht Macht, sondern Freundschaft verheißt, nicht Geld, sondern Glück bringt."
  • Der Vater "findet seine Identität, wenn er die ökonomischen Grundlagen der Familie beschafft und die Kinder in ihrer Zugehörigkeit zu Familie, Staat, marktwirtschaftlicher Ordnung, Kulturgemeinschaft und Kirche erzieht."
  • Eine alleinerziehende Mutter erreicht "weder für sich noch für ihr Kind familiäre Normalität".
Und die gute Nachricht? Paul Kirchhof soll nicht Familienminister werden, falls Angela Merkel Kanzlerin wird.

Mittwoch, August 17, 2005

Der Bierdeckel und CDU-Steuerreform

Paul Kirchhof, Professor und ehemaliger Verfassungsrichter, wurde als Finanzexperte ins "Kompetenzteam" von Angela Merkel berufen.
Er will den Spitzensteuersatz auf 25% senken (die CDU auf 39% ...) und die alljährliche Steuererklärung so vereinfachen, dass sie in 10 Minuten erledigt ist und auf einen Bierdeckel passt. Letzteres wäre wirklich schön.

Zur Zeit liegt der Spitzensteuersatz bei 42%. Wenn er auf 25% sinkt, spart ein Einkommensmillionär pro Jahr 170.000 EURO an Steuern oder pro Monat gut 14.000 EUR. Da wird er sich freuen, der Millionär.
"Falsch" sagt Herr Kirchhof, er hat sich zu früh gefreut. Denn: Viele Großverdiener werden dann endlich mehr Steuern zahlen als bisher, weil alle Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Die Konzerne, die (trotz des Spitzensteuersatzes von 42%) jetzt wegen diverser Abschreibungsmöglichkeiten überhaupt keine Steuern zahlen, werden dann wegen der gestopften Schlupflöcher erstmals überhaupt Steuern zahlen müssen, und der Staat wird viel, viel mehr Geld einnehmen. - Das wäre sehr schön. Dann könnte der Staat wieder viel Gutes tun und müsste nicht länger den Arbeitslosen und Kranken das Geld aus der Tasche ziehen.

Wenn es mit Herrn Kirchhofs Steuerreform wirklich so werden würde, dann wäre seine Reform ein beinahe sozialistisches Vorhaben, und er wäre versehentlich tatsächlich von der falschen Partei aufgestellt worden. Hat ihn die Linkspartei vielleicht übersehen?

Guido Westerwelle hat das Bierdeckel-Steuerprojekt wohl schnell durchschaut: Er freut sich, dass Kirchhof ins Kompetenzteam aufgenommen wurde und dementierte, dass Prof. Kirchhof "schon" in die FDP eingetreten sei. (Naja, kann ja noch kommen.) - Und wie sieht wohl das Ergebnis einer Steuerreform unterm Strich aus, wenn Guido Westerwelle sich freut? - 3x darf man raten...

Wenn die CDU/FDP die Wahl gewinnt, (was gut denkbar ist), und wenn Kirchhof Minister wird, (was schon weniger denkbar ist), und wenn er dann seine Steuerrefom durchsetzen könnte (was sehr fraglich ist), dann käme ganz sicher nicht dabei heraus, dass die Bestens-Verdiener und die großen Konzerne mehr Steuern an den Staat abführen müssen als bisher. Wetten?

Dienstag, August 16, 2005

"Hass-Predigten" aus dem Vatikan? Kann denn Liebe Sünde sein? - Weltjugendtag in Köln August 2005

Papst Benedikt XVI. kommt nach Köln zum 20. römisch-katholischen "Weltjugendtag". - FRESH, die Jugendabteilung des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschlands) zeigt auf dem Weltjugendtag Flagge bzw. Plakate unter dem Motto:

"Kann denn Liebe Sünde sein? Adieu Diskriminierung - Die schwul-lesbische Jugend gegen Hass-Predigten des Vatikan".

Der LSVD schreibt: "Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen die Hass-Tiraden, mit welchen auch der neue Papst bisher den schwullesbischen Teil der Weltjugend diffamiert und ausgrenzt. Wir fordern, dass der Vatikan endlich seine Politik der Diffamierung aufgibt und uns und unsere Liebe achtet".

Plisch & Plum

Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner, (der zu Köln passt wie die Faust aufs Auge), hat seine Wohnung geräumt, um für den seelenverwandten Papst Platz zu schaffen. Beide verstehen sich theologisch blendend:

Im Jahr 2003 nannte Meisner Homosexuelle, Drogensüchtige und Terroristen in einem Atemzug und sah in ihnen eine Gefahr für die europäische Werteordnung. Dafür kassierte er eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung, die jedoch nicht weiter verfolgt wurde.

Der Erzbischof setzte häufig vieles daran, seinen Brüdern und Schwestern Tränen in die Augen zu treiben, vor allem immer wieder den Frauen - Tränen des Zorns (formuliert die FR vom 16.8.).

Vernichtende Schreiben

"Die juristische Form einer Art Homosexuellen-Ehe ist zerstörerisch für die Familie und die Gesellschaft", hatte Ratzinger erst im November 2004 anlässlich der Einführung einer Homo-Ehe in Spanien gesagt. Die rechtliche Anerkennung von Homo-Paaren verändere auch die Moralvorstellungen der Bürger, warnte Ratzinger damals. So drohe "die Aufgabe von Ehe und Familie, den Fortbestand der Menschheit zu garantieren", verloren zu gehen. Auch in Fragen von Abtreibung und Kondomgebrauch gilt Ratzinger als Hardliner.

Ein vernichtendes Schreiben an alle Priester zum Thema Homo-Ehe stammt aus dem Jahr 2003:

"Die Ehe ist heilig, während die homosexuellen Beziehungen gegen das natürliche Sittengesetz verstoßen",

heißt es da ausgrenzend. Man müsse zwar homosexuellen Menschen mit "mit Achtung, Mitleid und Takt" begegnen, das könne aber keine rechtliche Gleichstellung rechtfertigen. Ein Adoptionsrecht für Homo-Paare "bedeutet faktisch, diesen Kindern Gewalt anzutun in dem Sinn, dass man ihren Zustand der Bedürftigkeit ausnützt, um sie in ein Umfeld einzuführen, das ihrer vollen menschlichen Entwicklung nicht förderlich ist", so das von Kardinal Ratzinger unterschriebene Dokument.

Kardinal Ratzingers Ansichten zum Nachlesen: Das Dokument aus dem Jahr 2003.

Ratzinger gilt als dezidiert konservativer Theologe, so stammen viele Äußerungen des alten Papstes Johannes Paul II zur Sexualmoral aus seiner Feder. Gott habe "eine christliche Ehe" gewollt, also eine zwischen Mann und Frau, war eine der Thesen eines 37-seitigen Schreiben des damaligen Papstes aus dem Jahr 2004, das von Ratzinger verfasst worden war. In dem "Brief über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Weltkirche" geißelten beide auch den "weltweiten Feminismus". Regierungen hätten die Pflicht, Bedingungen zu schaffen, in denen "Frauen ihre Pflichten in der Familie" nicht vernachlässigen müssen.

Kritik am Papst aus Kirchenkreisen

Bereits kurz nach der Wahl Ratzingers zum Papst war Kritik auch aus Kirchenkreisen laut geworden: Der kritische Theologe Gotthold Hasenhüttl nannte die Wahl eine "Katastrophe". Im Gespräch mit AP sagte der suspendierte Priester in Saarbrücken, Ratzinger werde den Kurs von Johannes Paul II. verschärft fortsetzen und damit auch den Reformstau in der katholischen Kirche vergrößern. In dem Interview unmittelbar nach Verkündung der Wahl vertrat Hasenhüttl die Ansicht, Ratzinger werde als Benedikt XVI. die Kirche "regieren, wie es Alleinherrscher oder Diktatoren tun".

Vertreter der "Initiative Kirche von unten" (IKVU) und der "Kirchenvolksbewegung" hatten in ersten Stellungnahmen skeptisch bis ablehnend auf die Wahl reagiert. Damit seien alle Hoffnungen auf einen innerkirchlichen Wandel zerstört worden, sagte IKVU-Bundesgeschäftsführer Bernd Göhrig nach der Wahl in Frankfurt am Main. Der neue Papst stehe für ein "theologisch autoritär strukturiertes Kirchenbild".

Selbst Kardinal Lehmann merkt an, dass die katholische Kirche durch ihre Sexualmoral ins Abseits geraten "kann". Die Kirche laufe Gefahr, in einem wichtigen Bereich des menschlichen Lebens nicht mehr gehört zu werden und abgemeldet zu sein, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem Westdeutschen Rundfunk auf dem Weltjugendtag.

Die weltweite schwule Community schwankte schon kurz nach der Wahl Ratzingers zum Papst zwischen Schock und Depression:

Matt Foreman von der National Gay and Lesbian Task Force der USA:

"Die Führer der Römisch-Katholischen Kirche haben einen Mann zum Papst gewählt, dessen Leistung unablässiger, giftiger Hass auf schwule Menschen ist, Kardinal Josef Ratzinger. Während der Amtszeit von Johannes Paul II. war Ratzinger die treibende Kraft hinter einer langen Reihe von Äußerungen, in denen Schwule und Homosexualität als "das Böse" bezeichnet worden waren. Als Katholik, aufgewachsen in einer strenggläubigen katholischen Familie, weiß ich, dass die Geschichte der Kirche im Laufe der Jahrhunderte voller beschämender Kapitel aus Diskriminierung, Verfolgung und Grausamkeiten gegen andere besteht. Eines Tages wird sich die Kirche bei den Schwulen entschuldigen, so wie sie es in der Vergangenheit bei anderen Gruppen getan hat. Ich bezweifle sehr, dass dieser Tag während der Amtszeit des neuen Papstes kommen wird. Es scheint sogar unvermeidbar, dass dieser Papst noch mehr Schmerz hervorrufen und seinen Nachfolgern noch mehr Gründe geben wird, um Vergebung zu bitten."

Donnerstag, Juli 28, 2005

Schlechte Zeiten für Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Die "Zeichen der Zeit"

Sie haben sicher auch unter ihren gebildeten FreundInnen solche, die inzwischen die Thesen des Neoliberalismus so verinnerlicht haben, dass sie selber glauben, diese Thesen seien das Ergebnis ihres eigenen Nachdenkens. Zu diesen Thesen gehören Sätze wie z.B. "Wir leben doch schon lange über unsere Verhältnisse", "Wir müssen deshalb alle den Gürtel enger schnallen", "Wer ArbeitnehmerInnen-Rechte vertritt gehört zu den ewig-gestrigen Betonköpfen"...

Anmerkung: Meine Oma, Gott hab`sie selig, erzählte gerne von dem Nazi-Bürgermeister in ihrem Dorf, der den Bauern immer wieder eintrichterte, wer die Nazi-Ideologie nicht unterstützte, gehöre zu den "Ewig-Gestrigen, die die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben". - So viel zu den "Zeichen der Zeit": Nicht jedes Zeichen der Zeit ist automatisch auch ein Zeichen für den besten Weg...

Zu den heutigen "Ewig-Gestrigen" gehört auch Albrecht Müller, www.nachdenkseiten.de .

Er schreibt u.a.:

"Das Hauptproblem der Gewerkschaften heute ist, dass der Arbeitsmarkt völlig aus dem Gleichgewicht geraten ist. Wer Arbeitskräfte nachfragt, kann unter einer Reservearmee von Arbeitslosen auswählen. Wer Arbeit nachfragt, muss zig Bewerbungen schreiben. Die Arbeitnehmer sitzen hoffnungslos am kürzeren Hebel; das schwächt ihre Marktmacht; das setzt sie permanent Erpressungen aus: Drohung mit der Verlagerung der Produktion, der Drohung mit Lohnkürzungen und/oder mit Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich. Die erkämpften Rechte der Arbeitnehmerschaft werden in einer solchen ungleichgewichtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt immer weniger wert. Sie sind nur dann wieder etwas wert, wenn wieder einigermaßen Wettbewerb, das heißt Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Das geht nur, wenn ein höherer Grad von Beschäftigung, am besten Vollbeschäftigung, erreicht wird. So schwierig es ist, der Vollbeschäftigung wieder nahe zu kommen, es muss das Hauptziel von Gewerkschaften sein. Andernfalls können sie sich - bildlich gesprochen - einen Strick kaufen.

Es gibt auch volkswirtschaftlich betrachtet überhaupt keinen Grund, dieses Ziel aufzugeben. Es gibt genug zu tun.

Ich kann jene gut verstehen, die davor warnen, die Energie- und Treibstoffvergeudung der USA auf andere wachsende Volkswirtschaften weltweit zu übertragen, gut verstehen. Ich kann jene gut verstehen, die vor weiterer Motorisierung warnen, weil sie sich vorstellen können, was ein solches Wachstum, übertragen auf China oder Indien, für die ökologische Belastung des Erdballs und des Klimas bedeutet. Aber ich kann nicht verstehen, warum sie diese Sorgen dann auf unsere jetzige Situation in Deutschland meinen übertragen zu können. Wir stecken in einer tiefen Rezession, und zur Überwindung dieser Rezession und der bedrückenden Arbeitslosigkeit ist es notwendig, mehr Beschäftigung und mehr Wachstum zu erreichen. Ob dies ökologisch verantwortbar ist, hängt einzig davon ab, was wächst.

Es gibt in unserem Land sehr viel zu tun, das ökologisch unbedenklich oder sogar förderlich ist: Wenn wir die Schüler-Lehrer-Relation verbessern, wenn wir begradigte und von Bäumen nicht mehr umsäumte Bachläufe renaturieren, wenn wir Handwerker statt Eltern Klassenräume reparieren und streichen lassen, wenn wir unsere Universitäten modernisieren, wenn die Aussiedler- und Ausländerkinder ausreichend Sprachunterricht bekommen, wenn sich alle Familien, die wollen, Ferien und gelegentlich ein schönes Essen in der nächsten Gastwirtschaft leisten können - was ist daran ökologisch bedenklich?"




Sonntag, Juni 26, 2005

Von der Mars bis an den Hindukusch, von der... bis an den ...

Nun sind also 16 deutsche Soldaten in Afghanistan gefallen. "Gefallen"? Oh pardon: "Verunglückt", wie es im new-speek heißt. Deutsche Soldaten fallen nicht, sie ziehen auch nicht den Krieg, sie verunglücken einfach am Hindukusch - so wie andere andere deutsche Reisende im Urlaub in Thailand oder Sri Lanka der Tsunami trifft; das Leben ist grausam, da kann man nichts machen.


Deutsche Hubschrauber stürzen durch technische Fehler ab, deutsche Soldaten kommen durch böse Selbstmordattentäter ums Leben, und Munition explodiert durch elektrische Funken, von denen man nicht weiß, wo sie herkommen...
Immerhin meldete dpa diesmal hinterher: "Die Bundeswehr spricht zwar von einem Unfall, die Internationale Schutztruppe ISAF will aber auch einen Angriff nicht ausschließen."

Heute, über eine Woche später, wird immer noch ermittelt: Nichts Genaues weiß man nicht, und der Tod der Soldaten ist durch Schröders Vertrauensfrage und das globale Live-8-Konzert längst aus den Schlagzeilen verschwunden. - Heute fand eine Trauerfeier auf dem Kölner Flughafen statt.

Das Mandat für die deutschen Soldaten in Afghanistan läuft Mitte Oktober 2005 aus. Verteidigungsminister Struck möchte das Mandat ausweiten: Die Zahl der deutschen Soldaten erhöhen und auch das Einsatzgebiet ausweiten: "Wir brauchen für unsere Soldaten auf jeden Fall Bewegungsfreiheit im Norden und Westen des Landes." Bewegungsfreiheit. Gegen Bewegungsmangel?

In einem Interview fagte die FR Verteidigungsminister Struck:
"In Berlin könnte es ein Regierungsende für historische Feinschmecker werden: Rot-Grün kam ins Amt und erklärte Serbien den Krieg, heute fordert der Verteidigungsminister freie Hand bei Auslandseinsätzen. ... Ist das die rot-grüne Spur in der deutschen Militärgeschichte - die breite Akzeptanz von Auslandseinsätzen herzustellen?"

Und Struck wiederholte ganz offen:
"Erstens: Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt. ... Der zweite Satz lautet: Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt. ... Aber die Bevölkerung muss auch wissen, was den Soldaten längst bewusst ist: Bei einem Einsatz, im übrigen auch auf dem Balkan oder in Afghanistan, können sie ihr Leben verlieren."

So ist es wohl.


Friedensgutachen 2005

Kurz vor dem Tod der deutschen Soldaten erschien das "Friedensgutachten 2005", das von den 5 führenden deutschen Friedenforschungs-Instituten einmal im Jahr herausgegeben wird. Sie ziehen darin eine negative Bilanz des militärischen Anti-Terror-Kampfes:

Ob in Afghanistan, im Irak, auf dem Balkan, in der indonesischen Provinz Aceh oder in Liberia - überall gelte:
"Die Rede von Friedensprozessen beschönigt häufig die Lage." Zunächst schweigen die Waffen, später bricht die Gewalt wieder aus. Seit 1945 gebe es doppelt so viel gescheiterte wie gelungene Konfliktbeilegungen.

"Nur selten passt westlicher Demokratieexport mit lokalen (. . .) Traditionen zusammen. Demokratisierungsinitiaven in multi-ethnischen Gesellschaften können (. . .) Konflikte und kollektive Identitäten weiter polarisieren."

Lob bekommt der "Aktionsplan Zivile Krisenprävention" der rot-grünen Bundesregierung. Aber für diesen Plan gibt es (angeblich) kein Geld.




Samstag, Mai 28, 2005

Die Wurst von Schröders Brot

Eins scheint klar: Der Kanzler lässt sich ungern die Wurst vom Brot nehmen.
Kaum jemand spricht von dem historischen Regierungswechsel in NRW, niemand nimmt wirklich Kenntnis von dem armen Herrn Rüttgers, der nun dort Ministerpräsident ist. Alle reden von den Neuwahlen.

Ob das irgendeinen Sinn macht außer vom Thema abzulenken?
Wohl kaum.
Albrecht Müller, siehe http://nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?idcat=15,
vormals Berater von Kanzler Brandt ;-) und Kanzler Schmidt ;-(
sieht das so:
Seit Schröder regiert sind sechs SPD-Ministerpräsidenten abgewählt worden (Höppner, Klimmt, Eichel, Gabriel, Mirow, Steinbrück), reihenweise seinen Kommunalwahlen verloren gegangen und Tausende von SPD-Mandatsträgern hätten für des Kanzlers Politik gebüßt.
Die Menschen wollen die aktuelle SPD-Reformpolitik definiv nicht.

Sie möchten eine Alternative und eine Perspektive, kein "Weiter so!".
Sie möchten die Aussicht auf sichere Arbeitsplätze, ausreichende Renten und Pensionen und nicht Minijobs, Arbeitszeitverlängerung, Privatisierung der Altersvorsorge, Steuerbefreiung für die Konzerne etc.

Gewählt wurde die SPD, wenn sie klare Perspektiven anbot: 1998 die Hoffnung auf eine halbwegs soziale Wirtschafts-Politik mit Oskar Lafontaine als Minister. 2002 die klare Ablehnung des Irakkrieges. Und 2005?

Da können wir mal gespannt sein, ob die Wurst noch einmal auf Schröders Brot bleibt.
Politik brauchen wir eine andere.
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PUBLIK-FORUM DOSSIER
Raubtier-Kapitalismus. Es geht auch anders.

Im Herbst wird eine neue Regierung gewählt. Doch die Wahl scheint begrenzt. Rot-Grün hat sich zum Neoliberalismus gewendet und wurde von den Wählern abgestraft. Doch Christdemokraten und Liberale setzen noch stärker auf neoliberale Rezepte. Und dies, obwohl sie gescheitert sind: ...


http://www.publik-forum.de

Dienstag, Mai 24, 2005

Wahl in NRW . Landtags-Sitze leer lassen!

Die CDU hat bei der Landtagswahl in NRW im Mai 2005 so viele Stimmen bekommen, wie SPD und Grüne zusammen. Die CDU hat ihr WählerInnen-Potenzial in diesem Jahr auf die Beine und an die Wahlurne gebracht. - Was mich dabei allerdings erstaunt ist, dass die CDU Gewinne aus allen sozialen Schichten verbuchen kann, auch in den großstädtischen Arbeiterrevieren. Wird die CDU zur Arbeiter-Partei? Vielleicht hat jemand darauf eine Antwort !?

Von den SPD-WählerInnen (der Bundestgswahl von 1998) blieben dagegen ungefähr 40% daheim auf dem Sofa sitzen und zeigten sich bockig gegenüber "ihrer" Partei. - Kein Wunder: Kanzler Schröder, "Kanzler der Bosse", hat seine Partei noch nie geliebt, sie war für ihn selten mehr als der Kanzler-Wahlverein. Und wenn man nicht ziemlich sicher wüsste, dass er ein Parteibuch der SPD besitzt, so könnte man ihn auch gut als Kanzler für die CDU aufstellen. - Warum also nicht gleich das Original wählen, die CDU?

War unter SPD-Kanzler Brandt, lang ist her, das Wort "Reform" noch positiv besetzt für die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande, so hat die Schröder-Regierung es geschafft, dass die Menschen mit Sorge auf jede neue Regierungsreform blicken. Ich glaube, ein Titel der TAZ lautete vor einiger Zeit "Schröder droht neue Reformen an" (oder war es "Bush droht noch mehr Freiheit an"? - Aber das läuft ungefähr aufs Gleiche raus...) Rot-Grüne Regierungreform steht inzwischen für Entsolidarisierung der Gesellschaft, Abbau von Sozialleistungen, zunehmende Privatisierung, zunehmende soziale Kälte, Verlängerung der Arbeitszeit.... kurzum: Neoliberalismus, verkauft als Sozialreform. - Wen wundert`s, wenn "der SPD-Wähler" zuhause bleibt, wenn Wahltag ist.


Stärkste Partei wurde, wie bei den meisten Wahlen, wieder die "Partei der NichtwählerInnen": 37% der Wahlberechtigten blieben zuhause (bei der letzten Landtagswahl in NRW, 2000, waren es 43,3%).

Man könnte viel Geld sparen, ohne das Wirtschaftswachstum zu gefährden, wenn man im Landtag zu Düsseldorf diese 37% der Sessel, die die NichtwählerInnen repäsentieren, auch tatsächlich leer lassen würde.
Gleichzeitig würde auf diese Weise auch sichtbar gemacht, dass die Mehrheit der WählerInnen mit keiner der Parteien wirklich zufrieden ist.


Wenn man das Wahlergebnis in % der Wahlberechtigten angibt (und nicht in % der abgegebenen Stimmen), dann sieht das Wahlergebnis so aus:


Partei

Mai 2000 in %

Mai 2005 in %


NichtwählerInnen

43,3

37

-

SPD

28,4

23,1

-

CDU

20,7

27.9

+

Grüne

3,9

3,8

=

FDP

5,5

3,8

-

PDS

0,6

0,5

=

WASG

-

1,4

+

REP

0,6

0,5

=

NPD

0,01

O,5

+

Samstag, März 19, 2005

Die rot-grün-schwarze Pferde-Spatz-Theorie

Manchmal fragt man sich, ob sie es eigentlich selber glauben: Der Bundespräsident, die SPD, Die Grünen, die Unternehmerverbände.
Sie sagen: "Man muss das Pferd nur ordentlich füttern, dann kommt hinten für die Spatzen auch mehr heraus". Oder mit anderen Worten: "Wenn man die Steuern der Unternehmen ordentlich senkt, dann werden hinten mehr Arbeitsplätze für die Bevölkerung herauskommen". Konkret: Die Unternehmenssteuer soll weiter von 25% auf 19% gesenkt werden,

I
m Jahre 2001 wurde das schon einmal versucht: Im Jahre davor zahlten AGs und GmbHs noch fast 24 Milliarden EURO an Steuern, im Jahr 2001 gar nichts mehr, sie bekamen statt dessen fast 1/2 Milliarde erstattet, und bis heute hat der Staat ihnen zusammen ungefähr 60 Milliarden EURO geschenkt. - Und was geschah in der Zwischenzeit mit der Zahl der Arbeitslosen ?! Eben.

Die Pferde-Spatz-Theorie ist eine Pferde-Spatz-Legende. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Unternehmer-Gewinnen und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Höchstens einen negativen: Wenn die Unternehmen die Ersparnisse nicht sowieso irgendwo auf dem Finanzmarkt anlegen, um das Geld "arbeiten" zu lassen und aus viel Geld noch mehr Geld zu machen, dann wird es mit dem gleichen Ziel investiert, um zu rationalisieren, zu modernisieren und das heißt: Arbeitsplätze einzusparen.

Jede/r dieser neoliberalen RednerInnen (und der Bundespäsident war Chef des IWF, einer Organisation, die weltweit den Neoliberalismus predigt und diktiert), verspricht den Spatzen Futter. Ob sie wirklich selber an ihr Versprechen glauben? Oder ob sie in Wirklichkeit doch nur das Pferd mästen möchten und die Spatzen dadurch beruhigen und ruhig halten wollen, dass diesen bewusst falsche Versprechungen gemacht werden?








Sonntag, Februar 27, 2005

Kritische Journalisten behindern oder erschießen?

Schauplatz Slowakei
Als Präsident George Walker Bush Ende Februar 2005 Slowakien besuchte, war das fast ein Heimspiel: Er konnte - anders als kurz zuvor im abgeriegelten deutschen Mainz - tausende Hände dankbarer und begeisterter Menschen schütteln, und von DemonstrantInnen war in Bratislava nicht viel zu sehen. Und die paar Dutzend, die doch am Rande demonstrierten, wurden vom slowakischen Fernsehen ignoriert. Pressefotografen, die die Demonstrierenden fotografieren wollten, wurden wiederum vom US-Sicherheitsdienst dabei behindert.

Schauplatz Irak
Rauhere Sitten als im "Neuen Europa" der Slowakei herrschen offenbar im Irak: Der Nachrichtenchef des us-amerikanischen Nachrichtensenders CNN, Eason Jordan, trat Mitte Februar 2005 zurück. Über 20 Jahre hatte er für CNN gearbeitet, aber jetzt hatte er vor einem geschlossenen Kreis in Davos/Schweiz angeblich erklärt, dass das US-Militär in Irak gezielt auf unliebsame Journalisten schießt. (Über 50 Jounalisten sind im Irak umgekommen, davon drei CNN-Reporter. ) - Rechte Kreise mobilisierten gegen Jordan, er habe die Ehre der US-Truppen besudelt, und schließlich bot Jordan seinen Rücktritt an.

Unterstützt wurde Eason Jordan von der Zeitschrift "Nation": Die US-Armee habe in Irak zum Beispiel das Hotel Palestine unter Feuer genommen, in dem über hundert solcher Journalisten untergebracht waren, die nicht in die US-Armee "eingebettet" (embedded) waren. Zwei Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters seien dabei umgebracht worden. Andere (meist arabische) Reporter seien erschossen worden, gefoltert oder verhaftet worden, wenn sie Aufständische im Irak interviewt hatten. -

Maßnahmen gegen US-Soldaten, die Journalisten töteten, gab es bisher nicht.

Dienstag, Februar 22, 2005

Wir sind die stärkste der Parteien: Die NichtwählerInnen

Auch bei den Wahlen in Schleswig Holstein (am 20.2.05) wurde die "Partei der NichtwählerInnen" wieder zur stärksten Partei: Etwa 1/3 aller Wahlberechtigten gingen nicht zur Wahl, nur jeweils etwa 1/4 der Wahlberechtigten wählte CDU bzw. SPD. Das ist ein bundesweiter Trend zum Nicht-Wählen.

Und warum sollte ein Sozialdemokrat SPD wählen?

Das fragen sich immer mehr SozialdemokratInnen, wissen aber auch keine Antwort und gehen deshalb nicht zur Wahl. Dabei gingen in Schleswig Holstein - wegen Heide Simonis - noch relativ viele WählerInnen des SPD-Klientels zur Wahl, nur 1/4 von ihnen blieben zuhause. Bei allen anderen Wahlen zuvor, so der Chef des Berliner Forsa-Institutes, gingen ein Drittel bis zur Hälfte der der potenziellen SPD-WählerInnen nicht zur Wahl. -
Wenn der SPD-Kanzler Schröder den nickname "Kanzler der Bosse" trägt oder "Autokanzler" und der SPD-Wirtschaftsminister Clement eine hervorragende CDU-Politik vertritt - warum sollte ein Sozialdemokrat dann die SPD wählen?

Samstag, Februar 19, 2005

Tausche Islam gegen Öl

Der amtierende irakische Premierminister Ijad Allawi, Günstling von US-Geheimdienst und -Regierung, bekam bei den irakischen Wahlen nicht genug Stimmen, um weiter regieren zu können. Seine „Irakische Liste“ wurde mit 13,8% der abgegeben Stimmen nur drittstärkste Kraft. Über drei Viertel der Iraker, die zur Wahl gingen, stimmten gegen die von der Besatzungsmacht favorisierte Partei.

Der dritte Mann ging auch verloren

Damit ist der US-Regierung nun schon ihr dritter Mann im Irak abhanden gekommen.

  • Der erste, Saddam Hussein himself, vor vielen Jahren von den USA gegen den Iran ins Rennen geschickt, wurde allzu aufmüpfig und schließlich von Vater und Sohn Bush fallen gelassen und von der US-Armee gestürzt.
  • Der zweite, Ahmed Chalabi vom „Irakischen Nationalkongress“, dem man Ehrgeiz und eine starke Neigung zur Intrige nachsagt, war nach Saddams Sturz der Favorit der US-Regierung und des Pentagon für den Führungsjob im neuen Irak. Er fiel im aber Sommer 2004 in Ungnade bei den USA, weil er damals als Falschlieferant von Informationen über Saddams Waffenprgramme aufflog und später dem Iran militärische Geheimnisse verraten haben soll. Er muss zur Strafe vorerst eine Runde aussetzen.
  • Und nun der dritte, Übergangspremier Ijad Allawi, der bei den Wahlen durchfiel.

Gewonnen wurde die Wahl von der "Vereinigten Schiitischen Allianz" mit fast 50% der abgegebenen Stimmen (48,2%) vor der "Kurdischen Allianz" mit 25,7%. Die Schiitische Allianz verfügt mit 140 Sitzen über die absolute Mehrheit im neuen Parlament. Sie ist weder pro-amerikanisch, noch weltlich orientiert, noch marktorientiert. Die beiden stärksten schiitischen Parteien der Schiitischen Allianz wollen eine islamische Republik Irak - kein Grund zur Freude für die USA, aber wohl auch kein Beinbruch: Letztlich ist es egal wer auf dem Papier regiert, solange die wirtschaftlichen Interessen der USA im Irak irgendwie sicher gestellt werden können.

Hinter den Kulissen haben die USA schon Kontakt zur Schiitischen Allianz aufgenommen. Ihr Verbindungsmann heißt Adel Abdel Mahdi und ist derzeit Finanzminister und zugleich Mitglied des "Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak"(Sciri). - Mit Abdel Mahdi wurden schon bisher Geschäfte gemacht, er unterschrieb die Verträge der Übergangsregierung mit den Ölkonzernen Shell und Chevron Texaco. Und kurz vor Weihnachten 2004 kündigte er bei einem Besuch in Washington die Privatisierung der irakischen Erdölwirtschaft an, wodurch die irakischen Ölquellen durch internationale Ölmultis gekauft werden könnten.

Vielleicht, so vermutet die Zeitschrift Foreign Policy in Focus, ist der Kuhhandel schon im vollen Gange: Die USA tolerieren ein auf dem Papier islamisches Staatssystem im Tausch gegen die faktische Hoheit ihrer Konzerne über das irakische Öl. - Damit hätten sie dann ihr eigentliches Kriegsziel auf elegante Art erreicht.

Ob das langfristig funktioniert, wird sich zeigen. Nicht beteiligt an dem Deal sind die Sunniten, die zum großen Teil die Wahl boykottierten. Nicht beteiligt ist Muktada as-Sadrs Bewegung der schiitischen Unterschicht. Und nicht beteiligt sind die Kräfte der aufgelösten Baath-Partei Saddam Husseins und sonstige islamistisch-terroristische Gruppen.




Sonntag, Februar 06, 2005


Looking forward

Bush und irakische Rebellen gemeinsam gegen den Unglauben

George W. Bush und einige irakische Rebellengruppen glauben gemeinsam:
Dass sie den Glauben verteidigen und den Unglauben bekämpfen.

Ende Dezember 2004 haben drei irakische Rebellengruppen die Aufrechterhaltung des irakischen Widerstandes gegen die Aufrechterhaltung der US-Besatzung angekündigt. Ansar al-Sunnah, der für Bombenanschläge und Enthauptungen im Irak verantwortlich ist, veröffentlichte im Internet seine Begründung:

"Demokratie" sei ein griechisches Wort, das "Herrschaft des Volkes" bedeute. Und wenn das Volk herrscht, dann macht es, was es will, und das führt zu un-islamischen Gesetzen. Zum Beispiel zur Einführung der Homo-Ehe. Und das ist Abfall vom Glauben. - So sieht das auch Präsident Bush.

Vielleicht sollten die Rebellen ihren Widerstand einfach aufgeben, mal mit George W. ein Bierchen, pardon, einen Tee trinken, und danach gemeinsam mit ihm den Unglauben bekämpfen?

Dienstag, Februar 01, 2005

Wahl in Irak - weder frei noch fair noch demokratisch

"Die Welt hört die Stimme der Freiheit aus dem Zentrum des Mittleren Ostens", so Präsident Bush, der die Wahl im Irak Ende Januar 2005 als "durchschlagenden Erfolg" ansieht. - Auch die meisten Zeitungen schätzen die hohe Wahlbeteiligung als Zeichen gegen den (irakischen) Terror ein.


Immer wieder gerne lese ich die Kommentare von Karl Grobe zu den Ereignissen im Mittleren Osten:

"In einer Hinsicht ist das irakische Wahl-Experiment gelungen: Es hat stattgefunden. Doch die Wahlen waren weder frei noch fair noch demokratisch. Nicht frei, weil sie unter den Bedingungen des Ausnahmezustands und der Gewaltdrohung des Widerstands stattfanden. Nicht fair, weil die von der Besatzungsmacht handverlesenen Kandidaten nahezu ein Monopol auf die TV-Berichterstattung hatten. Nicht demokratisch, weil die Namen der meisten Bewerber den Wählern bis zuletzt verschwiegen wurden.

Den Mindestanforderungen, die internationale Beobachter für Neu-Demokratien aufgestellt haben, genügte der irakische Vorgang in keiner Weise. Für die Legitimierung der Besatzungs- und Transformationspolitik mögen sie knapp ausreichen; denn sie verletzten nicht die Interessen der Besatzungsmächte und der von ihnen bestallten Politiker. Nur insofern ist der Wahlgang gelungen.

Die Beteiligung lag, sofern man es schon bewerten konnte, in den kurdischen und schiitischen Gebieten höher als erwartet, erreichte aber in manchen sunnitischen Regionen kaum die Sichtbarkeitsgrenze. Die ethnischen Teilungen wurden bestätigt, so künstlich sie auch herbeigeführt worden sind. Diese Entwicklung bereitet die bittere Auseinandersetzung zwischen Bagdader und schiitischem Zentralismus gegen kurdischen dezentralistischen Föderalismus vor. Freude über das Votum der vielen Mutigen kann da nicht aufkommen."

FR 31.1.2005


Freitag, Januar 28, 2005

Wenn die Aktienkurse steigen, bleibt für den Kindergarten nichts mehr übrig...

Zum letzten Mal zahlte der Energiekonzern eon im Jahre 1998 Gewerbesteuer an die Gemeinde, in der sein Kraftwerk Staudinger steht: Gut 9 Millionen EURO an den Ort Großkrotzenburg in Hessen. Dieser war dadurch einmal eine der reichsten Gemeinden in Hessen. Ab 1999 zahlt der Konzern durch "Steueroptimierung" keinen Cent mehr.

Die Folge:
  • Der Eintritt für das Freibad wurde um 30% erhöht.
  • Die Mieten im Seniorenheim stiegen um 5%.
  • Die Gebühren für den Kindergarten stiegen um 15%.
  • Die Grundsteuer stieg um 21%.
  • Die Hundesteuer wurde verdoppelt.
Und trotz alledem:
Die Gemeinde muss sich Geld pumpen, um die Gehälter ihrer Angestellten zu zahlen.

Merke:
Wenn der Aktionär reicher wird, kommt der Arme auf den Hund.

Anmerkung:
  • Von 1991 bis 2003 stiegen die Steuereinnahmen in Deutschland von ca. 315 Mrd. Euro auf 415 Mrd. Euro.
  • In derselben Zeit sank der Anteil der Körperschaftssteuer an diesen Einnahmen von 6,7% auf 5,8%
  • und der Anteil der Gewerbesteuer von 5,1% auf 2,0%.
Frage:
Wer zahlte die Zeche?
Um wieviel % ist dadurch die Zahl der Arbeitslosen in dieser Zeit gesunken?

Antwort:
Berlin/Nürnberg (AP) Die Zahl der Arbeitslosen hat einem Zeitungsbericht zufolge im Januar erstmals die Fünf-Millionen-Marke überschritten. Die bereinigte Statistik ergebe eine Zahl von 5,037 Millionen Menschen ohne Job, berichtete die «Welt» (Mittwochausgabe). Im Dezember lag sie bei 4,464 Millionen. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte die Befürchtung geäußert, dass die Arbeitslosenzahl auf über fünf Millionen steigen könnte. Der höchste Stand seit der Wiedervereinigung war nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bisher im Januar 1998 mit 4,824 Millionen Arbeitslosen erreicht worden.
1. Februar 2005





Sonntag, Januar 23, 2005

Müssen immer weniger Junge immer mehr Alten die Rente sichern?

Ja. Aber eine Gesellschaft, die als Ganzes immer reicher wird, kann es sich im Prinzip trotzdem leisten, die Renten zu zahlen.
Denn die Renten zahlen nicht die Jungen an die Alten, sondern im Grunde wird alles, was erwirtschaftet wird, umverteilt. Es kommt dehalb darauf an, wie hoch die Summe dessen ist, was erwirtschaftet wird.

Die demographische Struktur in Deutschland war zum Beispiel um 1900 sehr viel günstiger als heute: Es gab viel mehr junge Menschen und sehr viel weniger Alte. Und trotzdem ging es den Alten nicht besser. Der Sozialstaat konnte bis heute immer mehr ausgebaut werden, obwohl sich die demographische Struktur verschlechterte. - Und das war deshalb möglich, weil die Arbeitsproduktivität stieg und damit der gesellschaftliche Reichtum insgesamt. Mit diesem Reichtum könnten die sozialen Probleme dann gelöst werden, wenn die Gesellschaft mehr Solidarität zeigt.

Freiheit für die Hühner! - Fordert der Fuchs.

Für ältere Langzeitsarbeitslose gibt es schon lange keinen Kündigungsschutz mehr und trotzdem werden sie nicht eingestellt. In Wirklichkeit geht es den großen Unternehmen und den Parteien CDU/FDP mit ihrer Forderung nach der Aufhebung des Kündigungsschutzes nicht um das Wohl der Arbeitslosen oder gar darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern gerade im Gegenteil darum, Arbeiter und Angestellte leichter entlassen zu können. Und: Die Entlassung der ArbeitnehmerInnen bei Massenentlassungen und der Verlagerung von Betrieben und Betriebsteilen ins Ausland ist für die Unternehmen dann billiger, wenn es keinen Kündigungsschutz mehr gibt.

Jetzt werden den ArbeitnehmerInnen zunehmend mehr allein die Lasten für ihre Rentenversicherung aufgelastet, die Unternehmen werden entlastet, z.B. bei der Riester-Renter mit privater kapitalgedeckter Vorsorge. Man tut so, als solle damit die Autonomie, die Unabhängikeit und Freiheit der Menschen gefördert werden. In Wirklichkeit geht es um die Entlastung der Unternehmen. "Autonomie für die Hühner" - fordert der Fuchs.
Die Löhne stagnieren, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wurden gestrichen - die Lasten, die den ArbeiterInnen und Arbeitern aufgebürdet werden, steigen. - Gestrichen wurde immer dort, wo es am einfachsten ist: Bei Behinderten, Langzeitarbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, Asylbewerbern... Bei denen, die eigentlich am bedürftigsten sind, weil diese sich am schlechtesten wehren können.
Verkauft wird das unter dem Hochalten so schöner Worte wie Eigenverantwortung, Selbstvorsorge, Privatinitiative. Gefordert wird dies aber de facto nur von denen, die es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation am wenigsten leisten können.

Missbrauch gibt es.
Der bewegt sich von der Größenordnung her im Promillebereich. Vielleicht sind es auch 2%.
Doch: Alle Studien, die es darüber gibt, kommen zu dem Ergebnis, dass der Missbrauch minimal ist. Die Stadt Hamburg hat vor einiger Zeit die Daten aller 200.000 Sozialhilfeempfänger mit denen des Kfz-Bundesamtes abgeglichen, um herauszubekommen, wer von ihnen ein Auto besitzt. - Natürlich kann man das Auto auch unter dem Namen von Verwandten anmelden. - Aber herausgekommen sind ganze 27 Personen von 200.000, die über ein eigenes Auto verfügen:
Und: Wenn der Sozialstaat missbraucht wird, so heißt das nicht, dass er deshalb abgeschafft werden muss. - Wenn das Telefonnetz von Menschen missbraucht wird, um Verbrechen zu verabreden, so heißt das auch nicht, dass man das Telefonnetz abbauen muss.

Siehe auch
http://www.single-generation.de/wissenschaft/christoph_butterwegge.htm













Sonntag, Januar 09, 2005

Die Sozialleistung als Bonbon?

Viele sagen:
Sobald es ausgebaute Sozialsysteme ( mit Arbeitslosengeld, Sozialhilfe...) gibt, dann werden diese von den Menschen auch ausgenutzt. Statt dass sie selber arbeiten gehen, liegen sie auf der faulen Haut und kassieren die Sozialleistungen. - Es wird Leistung vom Staat kassiert, ohne Gegenleistung zu erbringen. Die Sozialsysteme werden dadurch geplündert, die Staatskassen geleert, und am Schluss könne der Staat die Renten nicht mehr finanzieren. - Wenn man Bonbons auf den Tisch legt, dann muss man auch damit rechnen, dass sie jemand vom Tisch wegnimmt und aufisst. Merke: Man sollte keine Bonbons auf dem Tisch liegen lassen.

Ist das so?
Mag sein. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Es ist ein Nebenkriegsschauplatz, der zur Ablenkung vom Hauptproblem führt:
Das Hauptproblem ist, dass der Staat in den letzten Jahren durch die Steuergesetzgebung sich selber seiner Einnahmen beraubt, indem er Unternehmen per Gesetzgebung immer stärker entlastet.

Der zu entrichtende Körperschaftssteuersatz sank in den letzten Jahren von 45% auf 25%. Einschließlich Gewerbesteuer sind noch ca. 38% fällig. Aber Scharen von Steuerberatern sind damit beschäftigt, "Steueroptimierungen" für die großen Unternehmen auszutüfteln, so dass manche großen Unternehmen schlussendlich gar keine Steuern mehr zahlen.

Als Cassius Clay noch Muhammed Ali hieß und boxte, kassierte er pro Kampf etwas 1 Million DM und zahlte davon an den Staat 90% Steuern. - Das hat niemanden aufgeregt, wahrscheinlich noch nicht einmal ihn selber. Heute regt man sich schon auf, wenn EURO-Millionäre und -Milliardäre 35% Steuerabgaben zahlen sollen, und ihre Forderungen gehen in Richtung 25%. - Von denjenigen, die eigentlich soziale Verantwortung übernehmen könnten, wird sie immer weniger verlangt. Diejenigen, die eigentlich und am leichtesten dazu beitragen könnten, Sozialleistungen für Arme zu finanzieren, können sich dank der Gesetzgebung immer mehr aus dieser Verantwortung herausziehen.

Millionen vonMenschen geht es immer schlechter, das zeigen die aktuellen Armutsberichte der deutschen Bundesregierung. Die Gesellschaft spaltet sich. In den Städten gibt es auf der einen Seite immer mehr Luxusquartiere mit privaten Sicherheitsdiensten, und auf der anderen Seite gibt es soziale Brennpunkte, in denen die Menschen am 20. eines Monats nicht mehr wissen, wie sie ein warmes Essen finanzieren sollen.





Belohnt der Sozialstaat die Faulen?

"Selbstverantwortung statt Sozialstaat!"
Hört sich gut an! Doch: "Selbstverantwortung ist ein würdiges Unwort des Jahres" (Prof. Butterwegge). Es kommt von denen, die häufig die Möglichkeit haben, sich an Kalten Büffets satt zu essen.
Seit der Wirtschaftkrise Mitte der 70er Jahre wurde der Sozialstaat in Deutschland permanent abgebaut. Mit Hunderten von Gesetzen wurden die Leistungen immer weiter gekürzt. Für arme Menschen ist der Sozialstaat die Möglichkeit, überhaupt ihre soziale Existenz zu sichern. Der Begriff "Selbstverantwortung statt Sozialstaat" tut so, als würden die Menschen nicht versuchen, ihre Existenz selber zu sichern. -
In den letzten Jahren und Jahrzehnten sieht man vermehrt Arme und Bettler in den Straßen, und das hat (auch) damit zu tun, dass der Sozialstaat zunehmend abgebaut wird, nicht damit, dass der Sozialstaat diese Menschen daran hindert, wirtschaftlich produktiv zu werden und Geld zu verdienen.

Auf der anderen Seite ist es heute so, dass die Firma BMW zum Beispiel weniger Steuern zahlt als der Pförtner von BMW. Belohnt der Sozialstaat die Faulen und bestraft die Fleißigen? Nein. Bei Hartz IV werden ab 2005 zum Beipspiel den Langzeitarbeitslosen die Zuwendungen gekürzt; und gleichzeitig sank der Spitzensteuersatz am 1. Januar für die Best-Verdienenden von 45 auf 42%. Ein Einkommens-Millionär spart dadurch in diesem Jahr exakt 30.000 EURO Steuern. -
Was macht er mit diesen 30.000? Seiner Frau noch einen weiteren Brillantring kaufen und damit die deutsche Wirtschaft ankurbeln? Nein, er wird das Geld dort anlegen, wo ihm am meisten weiterer Profit versprochen wird, auf dem internationalen Aktienmarkt zum Beispiel. -

Wenn man dasselbe Geld Langzeitarbeitslosen oder sozial Benachteiligten und Bedürftigen geben würde, würden diese es mit ziemlicher Sicherheit ausgeben, um vor Ort im Einzelhandel dringend benötigte Konsumgüter zu kaufen. -
Das heißt: Die derzeitige Sozialpolitik ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch noch ökonomisch falsch und irrational.
(Nach Prof. Butterwegge, SWR-Forum, Dezember 2004)