Sonntag, Februar 27, 2005

Kritische Journalisten behindern oder erschießen?

Schauplatz Slowakei
Als Präsident George Walker Bush Ende Februar 2005 Slowakien besuchte, war das fast ein Heimspiel: Er konnte - anders als kurz zuvor im abgeriegelten deutschen Mainz - tausende Hände dankbarer und begeisterter Menschen schütteln, und von DemonstrantInnen war in Bratislava nicht viel zu sehen. Und die paar Dutzend, die doch am Rande demonstrierten, wurden vom slowakischen Fernsehen ignoriert. Pressefotografen, die die Demonstrierenden fotografieren wollten, wurden wiederum vom US-Sicherheitsdienst dabei behindert.

Schauplatz Irak
Rauhere Sitten als im "Neuen Europa" der Slowakei herrschen offenbar im Irak: Der Nachrichtenchef des us-amerikanischen Nachrichtensenders CNN, Eason Jordan, trat Mitte Februar 2005 zurück. Über 20 Jahre hatte er für CNN gearbeitet, aber jetzt hatte er vor einem geschlossenen Kreis in Davos/Schweiz angeblich erklärt, dass das US-Militär in Irak gezielt auf unliebsame Journalisten schießt. (Über 50 Jounalisten sind im Irak umgekommen, davon drei CNN-Reporter. ) - Rechte Kreise mobilisierten gegen Jordan, er habe die Ehre der US-Truppen besudelt, und schließlich bot Jordan seinen Rücktritt an.

Unterstützt wurde Eason Jordan von der Zeitschrift "Nation": Die US-Armee habe in Irak zum Beispiel das Hotel Palestine unter Feuer genommen, in dem über hundert solcher Journalisten untergebracht waren, die nicht in die US-Armee "eingebettet" (embedded) waren. Zwei Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters seien dabei umgebracht worden. Andere (meist arabische) Reporter seien erschossen worden, gefoltert oder verhaftet worden, wenn sie Aufständische im Irak interviewt hatten. -

Maßnahmen gegen US-Soldaten, die Journalisten töteten, gab es bisher nicht.

Dienstag, Februar 22, 2005

Wir sind die stärkste der Parteien: Die NichtwählerInnen

Auch bei den Wahlen in Schleswig Holstein (am 20.2.05) wurde die "Partei der NichtwählerInnen" wieder zur stärksten Partei: Etwa 1/3 aller Wahlberechtigten gingen nicht zur Wahl, nur jeweils etwa 1/4 der Wahlberechtigten wählte CDU bzw. SPD. Das ist ein bundesweiter Trend zum Nicht-Wählen.

Und warum sollte ein Sozialdemokrat SPD wählen?

Das fragen sich immer mehr SozialdemokratInnen, wissen aber auch keine Antwort und gehen deshalb nicht zur Wahl. Dabei gingen in Schleswig Holstein - wegen Heide Simonis - noch relativ viele WählerInnen des SPD-Klientels zur Wahl, nur 1/4 von ihnen blieben zuhause. Bei allen anderen Wahlen zuvor, so der Chef des Berliner Forsa-Institutes, gingen ein Drittel bis zur Hälfte der der potenziellen SPD-WählerInnen nicht zur Wahl. -
Wenn der SPD-Kanzler Schröder den nickname "Kanzler der Bosse" trägt oder "Autokanzler" und der SPD-Wirtschaftsminister Clement eine hervorragende CDU-Politik vertritt - warum sollte ein Sozialdemokrat dann die SPD wählen?

Samstag, Februar 19, 2005

Tausche Islam gegen Öl

Der amtierende irakische Premierminister Ijad Allawi, Günstling von US-Geheimdienst und -Regierung, bekam bei den irakischen Wahlen nicht genug Stimmen, um weiter regieren zu können. Seine „Irakische Liste“ wurde mit 13,8% der abgegeben Stimmen nur drittstärkste Kraft. Über drei Viertel der Iraker, die zur Wahl gingen, stimmten gegen die von der Besatzungsmacht favorisierte Partei.

Der dritte Mann ging auch verloren

Damit ist der US-Regierung nun schon ihr dritter Mann im Irak abhanden gekommen.

  • Der erste, Saddam Hussein himself, vor vielen Jahren von den USA gegen den Iran ins Rennen geschickt, wurde allzu aufmüpfig und schließlich von Vater und Sohn Bush fallen gelassen und von der US-Armee gestürzt.
  • Der zweite, Ahmed Chalabi vom „Irakischen Nationalkongress“, dem man Ehrgeiz und eine starke Neigung zur Intrige nachsagt, war nach Saddams Sturz der Favorit der US-Regierung und des Pentagon für den Führungsjob im neuen Irak. Er fiel im aber Sommer 2004 in Ungnade bei den USA, weil er damals als Falschlieferant von Informationen über Saddams Waffenprgramme aufflog und später dem Iran militärische Geheimnisse verraten haben soll. Er muss zur Strafe vorerst eine Runde aussetzen.
  • Und nun der dritte, Übergangspremier Ijad Allawi, der bei den Wahlen durchfiel.

Gewonnen wurde die Wahl von der "Vereinigten Schiitischen Allianz" mit fast 50% der abgegebenen Stimmen (48,2%) vor der "Kurdischen Allianz" mit 25,7%. Die Schiitische Allianz verfügt mit 140 Sitzen über die absolute Mehrheit im neuen Parlament. Sie ist weder pro-amerikanisch, noch weltlich orientiert, noch marktorientiert. Die beiden stärksten schiitischen Parteien der Schiitischen Allianz wollen eine islamische Republik Irak - kein Grund zur Freude für die USA, aber wohl auch kein Beinbruch: Letztlich ist es egal wer auf dem Papier regiert, solange die wirtschaftlichen Interessen der USA im Irak irgendwie sicher gestellt werden können.

Hinter den Kulissen haben die USA schon Kontakt zur Schiitischen Allianz aufgenommen. Ihr Verbindungsmann heißt Adel Abdel Mahdi und ist derzeit Finanzminister und zugleich Mitglied des "Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak"(Sciri). - Mit Abdel Mahdi wurden schon bisher Geschäfte gemacht, er unterschrieb die Verträge der Übergangsregierung mit den Ölkonzernen Shell und Chevron Texaco. Und kurz vor Weihnachten 2004 kündigte er bei einem Besuch in Washington die Privatisierung der irakischen Erdölwirtschaft an, wodurch die irakischen Ölquellen durch internationale Ölmultis gekauft werden könnten.

Vielleicht, so vermutet die Zeitschrift Foreign Policy in Focus, ist der Kuhhandel schon im vollen Gange: Die USA tolerieren ein auf dem Papier islamisches Staatssystem im Tausch gegen die faktische Hoheit ihrer Konzerne über das irakische Öl. - Damit hätten sie dann ihr eigentliches Kriegsziel auf elegante Art erreicht.

Ob das langfristig funktioniert, wird sich zeigen. Nicht beteiligt an dem Deal sind die Sunniten, die zum großen Teil die Wahl boykottierten. Nicht beteiligt ist Muktada as-Sadrs Bewegung der schiitischen Unterschicht. Und nicht beteiligt sind die Kräfte der aufgelösten Baath-Partei Saddam Husseins und sonstige islamistisch-terroristische Gruppen.




Sonntag, Februar 06, 2005


Looking forward

Bush und irakische Rebellen gemeinsam gegen den Unglauben

George W. Bush und einige irakische Rebellengruppen glauben gemeinsam:
Dass sie den Glauben verteidigen und den Unglauben bekämpfen.

Ende Dezember 2004 haben drei irakische Rebellengruppen die Aufrechterhaltung des irakischen Widerstandes gegen die Aufrechterhaltung der US-Besatzung angekündigt. Ansar al-Sunnah, der für Bombenanschläge und Enthauptungen im Irak verantwortlich ist, veröffentlichte im Internet seine Begründung:

"Demokratie" sei ein griechisches Wort, das "Herrschaft des Volkes" bedeute. Und wenn das Volk herrscht, dann macht es, was es will, und das führt zu un-islamischen Gesetzen. Zum Beispiel zur Einführung der Homo-Ehe. Und das ist Abfall vom Glauben. - So sieht das auch Präsident Bush.

Vielleicht sollten die Rebellen ihren Widerstand einfach aufgeben, mal mit George W. ein Bierchen, pardon, einen Tee trinken, und danach gemeinsam mit ihm den Unglauben bekämpfen?

Dienstag, Februar 01, 2005

Wahl in Irak - weder frei noch fair noch demokratisch

"Die Welt hört die Stimme der Freiheit aus dem Zentrum des Mittleren Ostens", so Präsident Bush, der die Wahl im Irak Ende Januar 2005 als "durchschlagenden Erfolg" ansieht. - Auch die meisten Zeitungen schätzen die hohe Wahlbeteiligung als Zeichen gegen den (irakischen) Terror ein.


Immer wieder gerne lese ich die Kommentare von Karl Grobe zu den Ereignissen im Mittleren Osten:

"In einer Hinsicht ist das irakische Wahl-Experiment gelungen: Es hat stattgefunden. Doch die Wahlen waren weder frei noch fair noch demokratisch. Nicht frei, weil sie unter den Bedingungen des Ausnahmezustands und der Gewaltdrohung des Widerstands stattfanden. Nicht fair, weil die von der Besatzungsmacht handverlesenen Kandidaten nahezu ein Monopol auf die TV-Berichterstattung hatten. Nicht demokratisch, weil die Namen der meisten Bewerber den Wählern bis zuletzt verschwiegen wurden.

Den Mindestanforderungen, die internationale Beobachter für Neu-Demokratien aufgestellt haben, genügte der irakische Vorgang in keiner Weise. Für die Legitimierung der Besatzungs- und Transformationspolitik mögen sie knapp ausreichen; denn sie verletzten nicht die Interessen der Besatzungsmächte und der von ihnen bestallten Politiker. Nur insofern ist der Wahlgang gelungen.

Die Beteiligung lag, sofern man es schon bewerten konnte, in den kurdischen und schiitischen Gebieten höher als erwartet, erreichte aber in manchen sunnitischen Regionen kaum die Sichtbarkeitsgrenze. Die ethnischen Teilungen wurden bestätigt, so künstlich sie auch herbeigeführt worden sind. Diese Entwicklung bereitet die bittere Auseinandersetzung zwischen Bagdader und schiitischem Zentralismus gegen kurdischen dezentralistischen Föderalismus vor. Freude über das Votum der vielen Mutigen kann da nicht aufkommen."

FR 31.1.2005