Mittwoch, August 23, 2006

Doppelmoral im Saddam-Hussein-Prozess

Saddam Hussein steht erneut vor Gericht. Und das ist auch richtig so, denn seine Militäraktionen in der 2. Hälfte der 1980er Jahre im Nordirak kosteten nach Angaben von kurdischen Überlebenden etwa 100.000 Kurden ihr Leben.

Carla Del Ponte, Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals der UN in Den Haag, hat ihre Vorbehalte gegen den Prozess. Del Ponte hatte sich bereits unmittelbar nach der Gefangennahme Saddam Husseins durch US-Streitkräfte im Frühjahr 2004 für ein internationales Gerichtsverfahren gegen den Ex-Staatschef eingesetzt. Sie war damit aber gescheitert, da sowohl die irakische Regierung als auch die Invasionsstreitkräfte aus den USA und Großbritannien ein Verfahren im Irak und vor irakischen Richtern wünschten. Ein internationales Gericht hätte Saddam die Möglichkeit eröffnet, auf die jahrelange Unterstützung seines Regimes durch die Regierung der USA ebenso hinzuweisen wie auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit vielen westlichen Staaten. -
Diese Unterstützung war auch während der Giftgasangriffe der irakischen Armee keineswegs unterbrochen. Im Gegenteil: Der heutige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld traf Saddam im Dezember 1983 als Beauftragter von US-Präsident Ronald Reagan und sicherte ihm die „enge Unterstützung“ der USA im Kampf gegen den Iran zu. Die US-Administration hielt an dieser Haltung auch fest, als kurz darauf die Nachricht von den Gasattacken um die Welt ging. Der Irak galt als wichtiger Partner gegen das Vordringen des Iran im Mittleren Osten. Öllieferungen sollten mit seiner Stärkung abgesichert werden.

Hoffentlich wird im Prozess jedoch nicht vergessen, dass es wohl Saddam Hussein und diesen 1. Golfkrieg gar nicht gegeben hätte, wenn Saddam Hussein nicht als CIA-Mitarbeiter seine Karriere in Ägypten hätte beginnen können und nach dem Sturz von Schah Mohammad Reza Pahlavi von den USA weiterhin gefördert und schließlich in den Krieg gegen den Iran geschickt worden wäre - der nach dem Sturz des Schahs unter Schiitenführer Ruhollah Chomeini islamistisch-fundamentalistisch und antiwestlich gewordenen war.

Und hoffentlich wird nicht vergessen, dass diese 100.000 Kurden auch an dem Giftgas starben, das in irakischen Chemie-Anlagen hergestellt wurde, die von aus Deutschland geliefert worden waren....

Und hoffentlich wird nicht vergessen, dass US-Firmen vor dem Golfkrieg von 1991 am Waffenprogramm für Saddam Hussein beteiligt waren, z.B. Bechtel, Du Pont, Kodak, Hewlett &Packard... Ein Bericht für die UNO zählt 24 US-Firmen auf.

Und hoffentlich wird nicht vergessen, dass die Intervention der USA, die im März 2003 ("3. Golfkrieg") im Irak einmarschierten und Saddam Hussein am 13.12.2003 festnahmen, inzwischen 40.000-45.000 Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gekostet hat, auch wenn US-General Tommy Franks in diesem Falle meint: "We don`t do body counts" - wir zählen keine Toten... (vergl. http://www.iraqbodycount.net/)

Übrigens: Als Präsident George W. Bush am 1. Mai 2003 auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln den Irak-Feldzug für erledigt erklärte ("MISSION ACCOMPLISHED" - Mission erledigt), waren 138 US-Soldaten gefallen. Seitdem bis heute über 2450. Nach offizieller Zählung.
Offenbar zählt die US-Armee doch die Toten. Aber vielleicht nur die eigenen....

(Siehe auch den Eintrag vom November 2004 zu der Zahl der Toten im Irak.)