Mittwoch, Oktober 12, 2011

"Tantawi ist Mubarak". Oder: So einfach ist die Revolution nicht



 Während in Nordamerika erstmals etwas von Revolutionsstimmung zu spüren ist ("Okkupy Wallstreet"), ist auf dem Tahirplatz in Ägypten die Revolutionsstimmung seit dem letzten Sonntag, dem 9. Oktober, erst mal vorbei. Es sei der blutigste Tag seit Beginn der heftigen Proteste Ende Januar 2011 gewesen. Damals gingen Millionen auf die Straßen Ägyptens, der Tahrirplatz wurde besetzt, man spricht von ca.  800 Toten, die der Aufstand bis heute gekostet hat, 26 am letzten Sonntag...

Die Ägypter hatten damals, beim Sturz ihres autokratischen Staats- und Ministerpräsidenten Mubarak, die Unterstützung durch ihr eigenes Militär, (aus dem auch Mubarak selbst hervor gegangen war).  Genauer gesagt:
"Am späten Nachmittag des 11. Februar 2011 verkündete Vizepräsident Suleiman, Mubarak habe sich aufgrund der anhaltenden Massenproteste zu einem vollständigen Rücktritt entschlossen und lege die Staatsgeschäfte in die Hände des Obersten Militärrates. Ein Staatsstreich des Militärs ist nicht auszuschließen." (wikipedia)  

General Hussein Tantawi ist derzeit der ägyptische Armeeschef. Jetzt werden seine Bilder auf der Straße verbrannt und es gibt Parolen wie "Tantawi ist Mubarak".  Ein Ägypter sagte: "Die Militärs haben uns glauben lassen, wir hätten eine Revolution gehabt, und uns machen lassen, wofür sie uns brauchten. Jetzt zeigt die Armee ihr wahres Gesicht." - Manche Ägypter ziehen sich frustriert zurück, andere versuchen, sich die den Aufstand nicht aus der Hand nehmen zu lassen.

Jemand sagte: Der Rücktritt Mubaraks und das Nicht-Eingreifen des Militärs gegen die Demonstranten Anfang 2011 sei wie ein unerwartetes Tor in der 2. Minute eines Fußballspiels gewesen. Doch 88 anstrengende Minuten stehen noch bevor, und niemand kann sagen, wie das Endergebnis aussehen wird.
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Die drei Haupt-Akteure im Spiel 
sind der Militärrat, die Muslimbruderschaft und "die Jungen". -  Der Militärrat ist der gleiche wie unter Mubarak; die Offiziere sind in den USA ausgebildet worden, und wenn heute einer der Akteure in Ägypten Geld aus "dem Westen" bezieht, dann ist es der Militärrat; die Kommunikation zwischen Pentagon und Militärrat sei bestens, sagt man.

Die Muslimbruderschaft war lange Zeit verboten, jetzt ist sie erlaubt und würde bei freien Wahlen 20-30% der Stimmen bekommen; sie ist die einzige gut organisierte Gruppierung in der Zivilgesellschaft, und man sagt ihr keine schlechten Beziehungen zum Militärrat nach. - "Die Jungen" haben in diesem "Spiel" die schlechtesten Karten, sie haben nur die Straßen und die Plätze, das Internet und die Handys. -

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So einfach ist die Revolution nicht, so einfach ist ein autokratisches System nicht zu stürzen. - Doch manchmal gelingt eine Revolution wirklich: Erst wurde der absolutistische Herrscher gestürzt, dann eine konstitutionelle Monarchie eingerichtet, schließlich sogar die "Republik" ausgerufen.  Zwei als unbestechlich und neutral geltende Aufständische wurden an die Spitze der Regierung gesetzt, beide verteidigten die revolutionären Errungenschaften mit eiserner Faust. - - - Jetzt wurden Gegner der Revolution umgebracht, ihre Kritiker mundtot gemacht.

Diese Revolution fand 1789 in Frankreich statt, 222 Jahre vor der in Ägypten. Die beiden Revolutionäre hießen Danton und Robespierre. Robespierre war zu eifrig: 1794 ließ er sogar seinen Freund Danton hinrichten. -  Damit ging er zu weit, und die Revolution wendete sich auch gegen ihn: Nach einer Schlacht im Pariser Rathaus und einem missglückten Selbstmordversuch wurde Robespierre selber auf der Guillotine unter das Messer gebracht. -

Wie endete die Revolution? Letztendlich wurde 1793 König Ludwig auch noch hingerichtet, und gut 10 Jahre später krönte sich Napoleon zum "Kaiser der Franzosen"...
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Die Revolution war geglückt, doch manchmal gilt nach der Revolution dann:
Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder.“
( Pierre Vergniaud, einer der damaligen Revolutionäre, kurz bevor er selber vom Revolutionsgericht hingerichtet wurde.)

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