Dienstag, Februar 21, 2012

Syrien und der Westen. Was als friedliche Rebellion begonnen hat ...


Manchmal kann der Eindruck täuschen:

Zum Beispiel Stuttgart:

Gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 gingen über die Jahre Hunderttausende von Menschen auf die Straße,  allein am 9. Oktober 2010 zum Beispiel waren es nach Aussagen der Polizei über 63.000, nach Angaben der Veranstalter 150.000 Menschen, die gegen das Bahn-Projekt und seine Folgen demonstrierten. - Am 27. Oktober 2011 fand dann unter der neuen Regierung in BW eine Volksabstimmung statt und heraus kam, bei hoher Wahlbeteiligung, dass 58,8% für den Weiterbau stimmten, sogar in Stuttgart selber war eine Mehrheit für den Weiterbau am Projekt Stuttgart 21. - 

Im Februar 2012 dann:

Am Freitag (17.2.12)  hatten Datenkabel in einem Bahntunnel nahe der Innenstadt gebrannt - die Folge war ein Verkehrschaos, das Auswirkungen auf den Bahnverkehr in ganz Süddeutschland hatte. Rund 40 Rohre für das so genannte Grundwassermanagement für das Bahnprojekt Stuttgart 21 waren am Sonntag (19.2.) in Flammen aufgegangen.
An beiden Tatorten, die nicht weit voneinander entfernt sind, wurden nach Polizeiangaben Spuren von Brandbeschleunigern gefunden. ... Ungeklärt sei nach wie vor auch, ob der oder die Täter zum Kreis der Stuttgart-21-Gegner gehören. - Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 betonten, ihre Gruppe lehne "entschieden jegliche Form von Gewalt und Sachbeschädigung ab". Verwerflich sei allerdings auch, wenn das Fehlverhalten Einzelner genutzt werde, "um eine der friedlichsten Bürgerprotestbewegungen Deutschlands zu diskreditieren", schrieb Friederike Perl vom Sprecherteam des Aktionsbündnisses. 

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Und in Syrien? 

"Das, was als friedliche Rebellion begonnen hat 
und von Assad blutig niedergeschlagen worden ist, hat durch die Unterstützung von außerhalb, durch den Einsatz massiver Gewalt auch von Seiten der Opposition eine völlig andere Qualität bekommen", sagt Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Siehe dazu auch den Post "
Vom friedlichen Widerstand in Syrien" in diesem Blog
 
Die bisher teilweise unterdrückte Mehrheit der sunnitischen Bevölkerung, so Meyer, sei islamistisch orientiert. Es laufe darauf hinaus, dass sich hier eine sunnitische Achse, mit Unterstützung der Sunniten im Irak, im Libanon, in Saudi-Arabien, ausbildet, die gewaltsam den Sturz will. Diese Komponente werde in der Medienberichterstattung bisher völlig außer acht gelassen.

Mit Bashar Al-Assad kam im Jahre 2000 ein im Westen ausgebildeter Präsident an die Macht. 

Dieser führte zwar den diktatorischen Stil seines Vaters fort, öffnete Syrien aber auch für einen wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt. Der sogenannte Damaszener Frühling versprach die Reform alter Strukturen. "Das Religiöse war im Falle von Syrien bisher kein Thema", so Meyer. "Wir haben es bisher mit einer säkularen, weltlichen Herrschaft von Assad zu tun. Die ethnischen Differenzierungen, die religiösen Gegensätze wurden weitgehend überdeckt.  

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Aber genau diese Gegensätze brechen jetzt wieder hervor 

und es zeigt sich deutlich, dass vor allem die oppositionellen Widerstandskämpfer in erster Linie Sunniten sind, die zum Teil noch alte Rechnungen aus der Zeit des Vaters von Assad zu begleichen haben." Laut einer Umfrage der syrienkritischen Qatar-Foundation sollen nach wie vor 50 Prozent der Bevölkerung hinter Assad stehen. "Eine Ablösung des Regimes würde bedeuten, dass hier sunnitische Islamisten die Macht übernehmen - und das ist nicht im Interesse des großen Teils des städtischen syrischen Bevölkerung, die unter säkularen weltlichen Bedingungen sehr viele Fortschritte erlebt hat, wirtschaftliche Liberalisierung und Ähnliches."

Klar positioniert haben sich das Emirat Katar und der Sender Al-Dschasira, er unterstützt wie zuvor in Tunesien, Libyen und Ägypten die Opposition. "Gegenwärtig steht Al-Dschasira ganz klar parteiisch auf der Seite des Emirs von Katar und damit der konservativen Monarchien auf der arabischen Halbinsel", sagt Meyer.

Die Radikalisierung des Konflikts, die Rolle der freien syrischen Armee und die mediale Begleitung durch ausländische Sender fördere den Zerfall des Vielvölkerstaats. Assad gerät unter Zugzwang und wehrt sich gegen jeglichen politischen Druck, egal ob vom Westen, oder von der arabischen Liga. "Die FSA mit ihrer Bewaffnung liefert die Rechtfertigung für das Regime Assad gegen diese aufständischen vorzugehen", so Meyer. "Die Lösung wäre nicht 'mehr Waffen', denn mehr Waffen nur zu mehr Blutvergießen führen würden, zu mehr Bürgerkrieg führen."

Und welche Rolle spielt der Westen in Syrien? 


  • "Wir erleben die Interessen der sunnitischen konservativen Monarchien auf der arabischen Halbinsel", so Meyer. "Dahinter steckt auch die Rivalität mit Iran. Hier kann man eine wichtige Macht ausschalten. 
  • Dahinter stecken ebenso die Interessen des Westens, die Interessen Israels - über Syrien kommen iranische Waffen an die Hisbollah. Wenn man die syrische Regierung beseitigt, entfällt damit der wichtigste Unterstützer der Hisbollah, die wiederum Israel bedroht." 

"Das eindeutige Bild der Krise bröckelt."

                                                                                 Quelle: kulturzeit, 3sat vom 20.2.2012

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Schon immer haben Regierungen im eigenen Land oder in anderen Ländern "provozierende Agenten" ( agents provocateurs) und andere verdeckte Methoden angewandt, um politische Entwicklungen in ihre Richtung zu beeinflussen. Ein berühmtes deutsches Beispiel ist der Agent des Verfassungsschutzes Peter Urbach, der in den 60er Jahren der außerparlamentarischen Opposition (APO) in Berlin Waffen angeboten hat. Die Älteren werden sich daran erinnern.

In der aktuellen Geschichte kann man nachlesen, dass 2011 in Stuttgart bei den Demonstrationen gegen S21 und in Spanien bei den aktuellen Aufständen Provokateure enttarnt worden sein sollen. 


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