Dienstag, März 27, 2012

Syrien I: Vom Glauben, von Hoffnung und von Sesselfurzern



Auf jeden Fall zähle ich zu den Sesselfurzern, 
... zumindest was Syrien betrifft: So bezeichnet Jürgen Todenhöfer die Menschen, die über Syrien schreiben und sich nicht persönlich vor Ort breit informiert haben. Er schreibt:


"Wenn ich mich – wie die meisten Menschen – über Syrien ausschließlich mithilfe von Youtube-Filmen informieren müsste, würde auch ich sagen: „Dieser Diktator, der sein Volk tötet, muss gestürzt werden.“ Und ich würde mich möglicherweise wie im Falle des Volksaufstands gegen Gaddafi für Waffenlieferungen an die Rebellen aussprechen. 
Kurz: Ich verstehe jeden westlichen Bürger und Zuschauer, der sagt, Assad muss weg. Wenn die täglichen Berichte aus Syrien stimmen....

Die Mehrheit der Syrer will den drohenden Bürgerkrieg, der Hunderttausende das Leben kosten könnte, verhindern. Sie will nicht, dass ihr Land wie der Irak im Chaos versinkt. Sie kotzt über Ferndiagnostiker und Sesselfurzer im sicheren Westen, die ihr raten, diese militärische Auseinandersetzung bis zum bitteren Ende durchzufechten." 
 Quelle: "Der syrische Knoten" 


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Wem kann man in Krisensituationen glauben schenken? 

Sie erinnern sich vielleicht noch an den 1. Golfkrieg, in dem die USA gegen Saddam Hussein und den Irak militärisch vorgingen:


Im Spätsommer 1990 hatte die in den USA operierende kuwaitische Lobbyorganisation "Citizens for a free Kuwait" die weltweit größte PR-Agentur Hill & Knowlton für eine Kampagne engagiert, die im Vorfeld des Krieges gegen den Irak 1990/91 zweifelnde Politiker und auch die Bevölkerungen in den USA und den anderen Staaten der "Anti-Hussein-Koalition" von der Notwendigkeit eines Waffenganges am Golf überzeugen sollte. - H&K kassierte für ihre Bemühungen allein in den ersten 90 Tagen ab Anfang August 1990 mehr als 5,5 Millionen. und insgesamt 10,8 Millionen US-Dollar.

Ein Teil der H&K-Kampagne war die Verbreitung einer Gräuelgeschichte:  

Plündernde irakische Soldaten hätten in Kuwait Brutkästen aus Krankenhäusern gestohlen und insgesamt über 300 Frühgeborene auf dem Fußboden zurückgelassen, wo sie starben. 
In einem Hearing vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses am 19. Oktober 1990 berichtete ein 15-jähriges Mädchen namens "Nayirah", die man als geflüchtete kuwaitische Schwesternhelferin und Augenzeugin vorstellte, sie selbst habe im Al-Adan Hospital in Kuwait City beobachtet, wie irakische Soldaten 15 Babies aus Brutkästen nahmen und "auf dem Steinboden sterben ließen". 

Am 27. November 1990 wiederholte Nayirah ihre Schilderungen sogar vor dem UN-Sicherheitsrat, gemeinsam mit einem weiteren Augenzeugen, der als Chirurg Dr. Behbehani vorgestellte wurde und nach eigenen Angaben einem Begräbnis von 40 Babys beigewohnt hatte, die auf die gleiche Weise ermordet worden waren. 

Der ABC-Reporter John Marti war der erste Journalist, der nach der Befreiung Kuwaits den Behauptungen über die Ermordung kuwaitischer Babys nachging. 

Er interviewte Krankenhausärzte, die während der irakischen Besetzung im Land geblieben waren, doch niemand von ihnen konnte diese Behauptungen bestätigen. Auch verschiedene Menschenrechtsgruppen forschten nach und konnten ebenfalls keine Hinweise darauf finden, dass die "Brutkasten-Story" einen realen Hintergrund hatte. Amnesty International distanzierte sich von der Geschichte.

Wie sich später herausstellte, war Dr. Behbehani ein Zahnarzt und kein Chirurg, der nach dem Krieg offen zugab, dass er gelogen hatte. Bei Nayirah, das fand John MacArthur heraus, handelte es sich in Wirklichkeit um die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA, Saud Nasir al-Sabah. Wo sie sich im August und September 1990 aufgehalten hatte, konnte MacArthur damals nicht ermitteln. Die kuwaitische Botschaft reagierte auf seine Nachfragen schroff; sie verweigerte jegliche Stellungnahme und schirmte Nayirah vor der Presse ab.


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Sie erinnern sich vielleich auch noch an Colin Powell, der von 2001- 2005 US-Außenminister unter Präsident George W. Bush war. 


Im Sommer 2002 kam es in der US-Regierung zu offenen Differenzen in der Irak-Frage. Letztlich unterstützte Powell jedoch den US-amerikanischen Angriff auf den Irak im März 2003. Am 5. Februar 2003 folgte Powells denkwürdiger Auftritt vor dem Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Powell plädierte für den Sturz Saddam Husseins, da dieser im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei. -

In seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat unter deutscher Präsidentschaft fuhr US-Außenminister Colin Powell schweres Geschütz auf. Er präsentierte vermeintliche Beweise für 18 mobile Biowaffen-Laboratorien und für die Lagerung von mindestens 100 Tonnen Chemiekampfstoff im Irak.
Powells Auftritt glich einer großen Multimedia-Show. Zum Auftakt sprach Powell von "sehr verstörenden Fakten", die er den Anwesenden vorlegen wolle. Die Beweise seien von Mitarbeitern unter Einsatz ihres Lebens gesammelt worden.

Telefon-Mitschnitte würden beweisen, dass der Irak versucht habe, vor Beginn der UN-Inspektionen im November Hinweise auf verbotene Waffenprogramme beiseite zu schaffen. "Hier wird getäuscht, hier wird versteckt und gelogen", sagte Powell.Anschließend zeigte der US-Außenminister Satellitenaufnahmen, die seinen Worten zufolge beweisen, dass Irak kurz vor dem Eintreffen der Inspektionsteams belastendes Material beseitigt habe.Powell sagte weiter: "Während wir hier reden, transportiert eine irakische Raketenbrigade Gefechtsköpfe in den Westen des Landes." Unter den Gefechtskörpern, die in verschiedenen Palmenwäldern aufgestellt würden, seien auch solche, die mit Biowaffen bestückt sind.
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Im September 2005 bedauerte Powell in einem ABC-Fernsehinterview diese Rede, in der er den Weltsicherheitsrat mit später als falsch erkannten Tatsachenbehauptungen von der Notwendigkeit des Irak-Kriegs zu überzeugen suchte und bezeichnet sie als einen „Schandfleck“ in seiner Karriere.

Quelle u.a.: wikipedia, manager-magazin und SPIEGEL
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Zu lügen, um die Weltöffentlichkeit und die eigene Bevölkerung  von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen und die jungen Männer des Landes guten Gewissens in den Kampf ziehen zu lassen, ist nicht neu. 



„Es ist ebenso wichtig die Unterstützung der Öffentlichkeit zu mobilisieren, wie die Streitkräfte für den Krieg zu rüsten. Die Moral steht im Zentrum des Krieges und nicht die physische Stärke. Sieg wird nicht durch Vernichtung erreicht, sondern durch das Zerbrechen der gegnerischen Moral. Ziel des Krieges ist die Moral des Feindes.“
Carl von Clausewitz, 1780-1831, preußischer General


"Darauf zielt auch die Kriegsberichterstattung ab und stellt den Krieg so dar, dass die Moral der eigenen Bevölkerung nicht gefährdet, im Gegenzug aber die gegnerische Moral untergraben wird. Die Regierungen haben erkannt, dass die öffentliche Meinung über einen Krieg von seiner Darstellung in den Massenmedien abhängt. Dass dabei manipuliert wird, siehe u. a. die Artikel Propaganda, Medienmanipulation. Der amerikanische Senator Hiram Johnson zitierte hierzu 1917 den Tragödiendichter Aischylos:

»Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit«  “.
Quelle: Wikipedia
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Was sagt uns das nun für die Lage in Syrien - auch auf die Gefahr hin, bei der Ferndiagnose zu scheitern? Und wie kann man der Wirklichkeit möglichst gerecht werden, ohne zu lügen, ohne sich täuschen zu lassen von den Lügen Anderer?

Dazu mehr im Post Syrien II


Siehe auch: Syriens friedlicher Widerstand.




Freitag, März 09, 2012

Commons: Wem gehört die Welt von morgen?



Silke Helfrich wird Parallelen und Unterschiede zwischen der amerikanischen und deutschen Haltung zur Idee der Commons beleuchten. Nach langjährigem Aufenthalt in Lateinamerika wird sie auch auf die Wahrnehmung der Vereinigten Staaten durch ihre aufstrebenden südamerikanischen Nachbarn eingehen.

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Auf den ersten Blick haben