Sonntag, Juni 03, 2012

"All Under the Heaven Is Great Chaos"


Apropos Chaos:

Bis zum 10 Juni kann man in Zürich im Völkerkundemuseum der Universität noch eine Ausstellung zur Kulturrevolution in China (1966-1976) ansehen:
"Die Kultur der Kulturrevolution
Personenkult und politisches Design im China Mao Zedongs".

Aus der Ausstellung:
Uhrenfabrik Peking, um 1970Der Arm einer Rotgardistin schwenkt eine Mao-Bibel im Sekundentakt, ein Transparent trägt die Aufschrift "Lang lebe der Vorsitzende Mao", Dieser Wecker in einer typischen Form der 1950er Jahre gehört zu den berühmtesten Objekten der Kulturrevolution. Nach der Auflösung der Roten Garden auf Anweisung Maos verschwand er aber Anfang der 70er Jahre aus den Geschäften.
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Der Ausspruch "All Under the Heaven Is Great Chaos" stammt übrigens auch aus dieser Zeit. Der "Vorsitzende Mao" verwendete ihn damals öfter, z.B. in einem Gespräch mit dem damaligen Albanischen Verteidigungsminister Bequir Balluku. Es ging in dem Gespräch u.a. um China und die internationalen Studenten- und Arbeiter-Aufstände im Mai 1968 in Deutschland, in Frankreich und anderswo. In dem Gespräch am 1.10.68 wunderte sich Mao, dass es trotz der Unruhen in Frankreich nicht zu einer "richtigen" Revolution kam - und lieferte die Erklärung gleich mit:

Mao Zedong: 
"Es stimmt, dass die Sowjetunion schlecht ist, aber sie kann ihre Bevölkerung noch materiell versorgen. Sie haben zwar z.B. nicht genug Nahrungsmittel, aber sie können sie im Ausland kaufen. -
Ein anderes Beispiel ist Frankreich, ein kapitalistisches und imperialistisches Land. Obwohl dort im Mai dieses Jahres eine große rebellierende Bewegung entstanden ist, konnte Frankreich seine Bevölkerung weiter mit materiellen Gütern versorgen. - Unter diesen Umständen ist es schwierig, eine Regierung zu stürzen."
Spielzeugsoldat mit Handgranate, Gummi, 13 x 7 x 6 cmDie Zeit der Kulturrevolution war in China auch von Kriegshysterie gezeichnet. Man hatte Angst vor einem Angriff der USA im Zuge des Vietnam-Krieges oder vor einem nuklearen Präventivschlag der Sowjetunion (mit der Peking mittlerweile verfeindet war). Auch Kinder wurden auf den Krieg vorbereitet. Militärisches Training gehörte zum Lehrplan in den Schulen. Man grub überall Schutztunnels und legte Vorräte für mögliche Kriegszeiten an.
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Genau 43/44 Jahre später, Mai 2011 und Mai 2012

scheint wieder Großes Chaos unter dem Himmel zu sein. 
In 3Sat-kulturzeit hieß es am 25. Mai 2012:
"Vielleicht war das neulich nur so ein Tag, ungefähr 2 Minuten Nachrichten wert. Aber wer am letzten Freitag durch Frankfurts City ging, musste glauben, dass ein Terrorakt bevorstehe. ... So viel Staat war unterwegs, um das Bankenviertel zu schützen vor Bürgern, die wegen der europaweiten Finanzkrise protestieren wollten. Die Polizei schützt die Banken - vor der Bevölkerung. Letzter Freitag in Frankfurt, Helme und Kampfmontur zur Verteidigung der Finanzinstitute.... 
  • Spanien: eine ganze Generation geht auf die Straße, sie fühlt sich von ihren Politikern nicht mehr vertreten.
  • Athen: offene Gewalt gegen die Regierenden, das ganze politische System wackelt."

In diesem Zusammenhang warnt Prof. Ulrich Beck, Soziologe, London School of Economics, einer der einflussreichsten Soziologen Deutschlands, vor den Folgen für die Demokratie

„Ich meine, so ein Wort kommt eigentlich leicht über die Lippen. Aber in dieser Situation entsteht sowas wie vorrevolutionäre Situationen, die immer so lange verdeckt bleiben - wir haben das ja auch an der DDR erlebt - dann lange Zeit dachte man, die Fassaden funktionieren. Keiner hat erwartet, dass das plötzlich so schnell zusammenbrechen kann. Aber ähnliches erleben wir eigentlich heute auch in den westlichen Staaten.“
Wenn Mao Zedong damals Recht hatte, wird aus den Rebellionen in Griechenland, Spanien, Italien, Frankfurt usw. keine "richtige" Revolution. - Erst dann, wenn die Regierungen ihre Bevölkerung nicht mehr materiell versorgen können...
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Übrigens:

Im aktuellen Bericht des Club of Rome (Jorgen Randers:
"2052. Der neue Bericht an den Club of Rome: Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre") sagt Karl Wagner eine Revolution für die 2020er Jahre voraus, wenn die jüngere Generation die Nase voll hat. -Schaun wir mal....

Vielleicht sieht man sich bei der Ausstellung im Völkerkunde-Museum in Zürich?



Die Ausstellung zeigt anhand einer ungewöhnlichen Sammlung von Alltagsobjekten und Zeitdokumenten die Durchdringung der chinesischen Gesellschaft mit Symbolen und Parolen des Mao-Kultes. Durch die Einbindung in den zeithistorischen Kontext offenbaren sich Gegenstände, die zunächst als verklärender "Kitsch" erscheinen – Mao-Plaketten in Gestalt rot leuchtender Herzen, Wecker mit Rot-Gardisten/innen, die Mao-Bibeln schwingen, lieblich dekorierte Vasen, Teller und Tassen mit Mao-Sprüchen – als bewusst von den und für die Massen erschaffene Informations- und Werbeträger.

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