Donnerstag, Februar 28, 2013

Papst Benedikt, Slavoj Žižek und "Zero Dark Thirty"


  • Heute ist der letzte Arbeitstag des 85-jährigen Papst Benedikt XVI.
  • In den Kinos läuft derzeit der Hollywood-Film "Zero Dark Thirty",
    (30 Minuten nach Mitternacht), ein Film aus dem Jahr 2012, der die Suche der Vereinigten Staaten nach Osama bin Laden und seine anschließende Tötung zeigt.
  • Gestern, In der Nacht zum 27.2.2013, starb im Alter von 95 Jahren der Autor der Streitschrift "Empört euch!", Stéphane Hessel, Er war einer der 12 Personen, die am Text für die allgemeine Erklärung der Menschenrechte mitgearbeitet hat, die die Vereinten Nationen 1948 verabschiedeten. Später wurde Hessel UN-Botschafter in Genf. Mit der im Oktober 2010 veröffentlichten Streitschrift "Empört Euch!" hatte Hessel im hohen Alter noch einen Sensationserfolg gefeiert.

Gibt es Zusammenhänge? Ja.

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Interview mit Slavoj Žižek in kulturzeit

In einem Interview vertritt der Philosoph und Psychoanalytiker Žižek zu dem o.g. Hollywood Film und zur TV-Serie "Homeland" die Ansicht,  dass Filme über den Terrorismus ein immer größer werdendes moralisches Vakuum wider spiegeln, das für uns zur Normalität geworden sei und das der US-Regierung in ihrem lautlosen Kampf gegen den Terror in die Hände spiele. "Hollywood's gift to American power" - so nennt er den Film "Zero Dark Thirty".
Der Film erzählt die Geschichte der Jagd auf Osama bin Laden, und: Erst Folter hat zum Versteck des Terrorfürsten geführt - das sei die Botschaft des Films.
Žižek: 
"Der Film legitimiert Folter als Teil der öffentlichen Debatte. -

Und auch wenn ich einige Leute damit schockiere, die mich für einen postmodernen Verrückten halten, der Paradoxien liebt, bin ich in dieser Frage klassischer Moralist. ...

Damit meine ich das, was Hegel als sittliche Substanz bezeichnet hat. ... Eine positive Form des Dogmatismus. -

Eines der wenigen guten Dinge in unserer Gesellschaft ist, dass wir
[zum Beispiel] einfach nicht über Vergewaltigung diskutieren. Wir haben die Überzeugung: Vergewaltigung, nein danke. Und wenn jemand mit chauvinistischem Bullshit wie: 'Sie will es doch auch' kommt, dann steht er sofort als Idiot da. Ich will, dass das auch für Folter gilt."


Die Logik
[des Films] ist folgendermaßen:
Wir zeigen dir die traumatische Wahrheit und wenn dir klar ist, was Folter bedeutet, kannst du auch für Folter sein, ohne dass dir gleich vorgeworfen wird, abgestumpft zu sein. -
So funktioniert Ideologie: Augenscheinlich erzählst du eine progressive Geschichte, doch die implizite Textur zeugt vom kompletten Gegenteil." -
Nicht nur im Film, auch in der Sprache habe sich etwas verändert. Foltermethoden werden als enhanced interrogation techniques bezeichnet - "erweiterte Verhörmethoden". So maskieren neue Begriffe durch Neu-Sprech/ New-Speak brutale Gewalt. Auch das erhöhe die öffentliche Akzeptanz von Folter.   

Žižek sieht sich als klassischer Moralist, als Vertreter eines positiven Dogmatismus, der bestimmte Dinge (wie Folter oder Vergewaltigung) tabuisiert haben möchte, da gibt es nichts zu diskutieren und zu relativieren. - 
  • In diesem Punkt kann er dem ehemaligen Papst Benedikt die Hand reichen: Moral, Dogmatismus, universell gültige Werte, an denen nicht gerüttelt werden darf. Kein Relativismus der guten Werte!
  • In der Analyse der Ursachen der Un-Moral gibt es allerdings einen großen Unterschied zwischen den beiden Denkern Benedikt/Ratzinger einerseits und Slavoj Žižek andererseits:
Für Žižek driften (die guten) Demokratische Werte und der Kapitalismus immer weiter auseinander, eine Zeiten-Wende, die er in seinem Buch "Das Jahr der gefährlichen Träume" aufzeigt. 

 "Der heutige Kapitalismus kann sich nicht mehr alte bürgerliche Freiheiten wie menschliche Würde und universelle Menschenrechte leisten".
Zeitenwende und sittlicher Verfall, daran sind sich Ratzinger und Žižek einig. Bei Žižekist ist der heutige Kapitalismus die Ursache des Verfalls, - die demokratischen Werte stehen für das Gute. 
Bei Benedikt dagegen ist der Relativismus der Demokratie Ursache für den Verfall der Werte.

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Als Papst Benedikt noch Joseph Kardinal Ratzinger war und Präfekt der römischen Glaubenskongregation, hat er ein Buch geschrieben mit dem Titel:

 

In diesem Buch und andernorts beklagte der nun emeritierte Papst  den Relativismus,  „der nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“ Benedikt sprach schon vor dem zweiten Vatikanischen Konzil, 1986, von Zeitenwende: Im Auftrag des damaligen Papstes verfasste er mit zwölf anderen Kardinälen eine "Einleitung zur Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung" und spricht darin von der „Dunkelheit dieses Jahrhunderts“, in dem sich die göttliche Sonne verdunkelt zu haben scheint und von Gottvergessenheit, die das dunkle Geheimnis dieses unseres Jahrhunderts bildet...

Benedikt spricht von der "Diktatur des Relativismus", die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt. Demokratie, Pluralismus und liberaler Rechtsstaat sind für ihn Ursache des Werteverfalls, Zeichen von Gott-Vergessenheit. Benedikt reduziert Demokratie auf ein Handeln nach wechselnden Mehrheit-Prinzipien und wechselnden Mehrheits-Verhältnissen statt nach ewig gültigen göttlichen Gesetzen zu handeln. Und das ewig gültige Gesetz besagt für ihn z.B.: Keine "Pille danach" für Frauen nach Vergewaltigungen, keine Empfängnis-Verhütung, keine "Homo-Ehe", außerhalb der römisch-katholischen Kirche kann es kein Seelenheil geben.

Papst Benedikt in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag

"In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein. Aber dass in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muss sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen. Im 3. Jahrhundert hat der große Theologe Origenes den Widerstand der Christen gegen bestimmte geltende Rechtsordnungen so begründet: „Wenn jemand sich bei den Skythen befände, die gottlose Gesetze haben, und gezwungen wäre, bei ihnen zu leben …, dann würde er wohl sehr vernünftig handeln, wenn er im Namen des Gesetzes der Wahrheit, das bei den Skythen ja Gesetzwidrigkeit ist, zusammen mit Gleichgesinnten auch entgegen der bei jenen bestehenden Ordnung Vereinigungen bilden würde …“

Relativismus der Werte erschien und erscheint dem emeritierten Papst als die philosophische Grundlage der Demokratie. Benedikt reduziert die Moderne auf die Diktatur des Relativismus, „die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“ 

Manche deuten diese Haltung des Papstes so: Wenn man davon ausgeht, dass Joseph Ratzinger selber homosexuell ist, wie es z.B. der katholische Theologe und Bestsellerautor David Berger, (der selber viele Jahre Professor im Vatikan und Zensor der Glaubenskongregation war), in seinem Buch "Der Heilige Schein" und im ZDF-Interview tat, dann ist es nur konsequent, wenn Joseph Ratzinger als Priester und Papst fremde ebenso wie eigene Homosexualität verurteilt und verdammt statt - mit seinen eigenen Worten - nur das eigene Ich und seine Gelüste geltenzu lassen, denn Homosexualität ist nach seiner Auslegung der Heiligen Schrift wider die göttliche Natur...

Was Benedikt immer völlig übersehen und übergangen hat (so sieht es auch Helmut Hoping, Professor für Dogmatik an der Universität Freiburg im Breisgau, sich dabei auf den Philosophen Hans Jonas stützend ) ist, 
dass die philosophische Grundlage der Demokratie und des liberalen Rechtsstaats 

  • das Ethos der Menschenwürde 
  • und die Anerkennung der Menschenrechte ist, 
- Prinzipien, die die Moderne hervorgebracht hat, die universalisierbar seien, nicht zur Disposition stehen, unbedingt zu respektieren und nicht zu diskutieren sind, die nicht relativierbar seien.

  • Die Würde und die Grundrechte des Menschen sind es, an denen das Relativieren relativiert werden kann.
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Screenshot Stéphane Hessel


Hessel spricht vom Paradigmenwechsel, nicht von Zeitenwechsel:

 "Ich denke, gerade in Europa müssen die Werte, die wir damals im Widerstand oder damals in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte, die wir gekannt haben, müssen erneut begründet werden. Sie sind ja da, wir kennen sie. Aber sie sind manchmal abgebogen von unseren Regierungen. Aus dem Grund, dass gerade unsere Regierungen von den Finanzmächten  überstülpt sind. Da können wir daran arbeiten, diese Grundwerte wieder unseren Regierungen aufzugeben."

Originaltitel Indignez-vous! Wurde im Oktober 2010 veröffentlicht; bis Februar 2011 wurden mehr als eine Million Exemplare verkauft. Es wurde in 25 Sprachen übersetzt.
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