Sonntag, September 01, 2013

„Wenn zum ersten Mal im 21. Jahrhundert chemische Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden, dann...". (Außenminister Westerwelle)



 In der 20-Uhr-Tagesschau am 31.8.13 war vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle zu hören:

Screenshot
„Wenn zum ersten Mal im 21. Jahrhundert chemische Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden, dann ist das ein Verbrechen, ein zivilisatorisches Verbrechen, und dann sollte der Sicherheitsrat auch dort gemeinsam handeln.
Ich appeliere an Russland, die schützende Hand einem Regime, das Chemiewaffen einsetzt, endlich zu entziehen.“
20-Uhr-Tagesschau , 31.8.2013, Minute 05.57 bis 06.18. http://www.tagesschau.de/sendung/tagesschau/index.html
Man sollte vielleicht die Fakten ergänzen und dementsprechend sollte ein fairer Außenminister dann auch seine Aussage ergänzen.  
Zum Beipsiel so, wie es ein anderer deutscher Politiker (siehe unten) tat:
"Verstehen sie,
  • wenn Russland an Assad keine Waffen lieferte
  • und Katar und Saudi - Arabien und die USA und andere nicht an die Aufständischen Waffen lieferten,
wäre der Bürgerkrieg schon zu Ende."
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Wenn man den Blick etwas erweitert, und sich auch das Ende des 20. Jahrhunderts anschaut, dann erinnert man:
Den größten Giftgas-Angriff seit dem ersten Weltkrieg gab es ab 1983 im 1. Golfkrieg. Damals war Saddam Hussein noch der Good Boy der USA und setzte mit dessen Billigung und Unterstützung Senfgas, Sarin und Tabun gegen den Iran ein, der damals schon und heute noch Schurkenstaat genannt wurde bzw. genannt wird.  Die US-Regierung unterstützte Saddam Husseins Giftgas-Einsatz gegen Iran mit Luft-Bildern. Die Grundstoffe für die irakische Giftgas-Produktion, die Produktionsanlagen selber und das technische Know-How kamen aus Deutschland.
"The U.S. government may be considering military action in response to chemical strikes near Damascus. But a generation ago, America's military and intelligence communities knew about and did nothing to stop a series of nerve gas attacks far more devastating than anything Syria has seen, Foreign Policy has learned.
Quelle: Foreign Policy 26.8.2013
In 1988, during the waning days of Iraq's war with Iran, the United States learned through satellite imagery that Iran was about to gain a major strategic advantage by exploiting a hole in Iraqi defenses. U.S. intelligence officials conveyed the location of the Iranian troops to Iraq, fully aware that Hussein's military would attack with chemical weapons, including sarin, a lethal nerve agent. [...]
In contrast to today's wrenching debate over whether the United States should intervene to stop alleged chemical weapons attacks by the Syrian government, the United States applied a cold calculus three decades ago to Hussein's widespread use of chemical weapons against his enemies and his own people." ...
[Quelle und ganzer Text: Foreign Policy Magazin] 
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Foreign Policy ist ein anfangs vierteljährlich und derzeit alle zwei Monate erscheinendes Magazin in den USA und thematisiert die amerikanische Außenpolitik sowie internationale Politik, Beziehungen und Wirtschaft.
Es wurde 1970 von Samuel P. Huntington und Warren Demian Manshel gegründet. Neben Foreign Affairs zählt es zu den führenden und meinungsbildenden Magazinen in diesem Bereich. Veröffentlicht wird Foreign Policy von der Washington Post Company. Die Auflage beträgt knapp 110.000 Exemplare, derzeitige Chefredakteurin ist Susan Glasser. [wikipedia]
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Ein Interview zum gleichen Thema mit einem anderen deutschen Politiker:

[...] SWR: Darf man ungestraft Giftgas einsetzen gegen die eigene Bevölkerung?

MdB: Auf gar keinen Fall. Die Verantwortlichen müssen ermittelt werden und sie werden eines Tages in Den Haag vor dem Strafgerichtshof stehen. Dass ist auch das, was das Völkerecht vorsieht.
Aber eine Strafaktion zu machen, indem ich Bomben werfe, wo ich auch wieder Unschuldige töte, das müssen sie dann mal deren Angehörigen erklären. Eine Strafaktion zu machen, wo ich gar nicht weiß, wie das Ganze eskaliert. Also, zunächst haben die Amerikaner und die Briten an so einen Tag, zwei Tages-Einsatz gedacht und denken, dann fliegen sie wieder nach Hause, wunderbar, haben sie mal einpaar Bomben geworfen und es Assad irgendwie gezeigt.
Ja sagen sie mal, was sind denn das für naive Vorstellungen. Der Assad hat die Möglichkeit den Konflikt in den Libanon und nach Jordanien zu tragen. [...] Verstehen sie, das ist doch gar nicht beherrschbar ein solcher Prozess. Wir müssen mal raus aus der Kriegslogik.

Also, es muss ja Schuldige geben, wenn es einen Giftgaseinsatz war, spricht ja vieles dafür, wir werden das ja in Kürze erfahren, dann muss das auch individuell ermittelt werden, dann nützt mir nichts, die Regierung, wer ist die Regierung, ich will wissen, wer hat das angeordnet, wer hat das ausgeführt. Und die Leute müssen eines Tages vor Gericht stehen.
Ich weiß, dass wir sie im Augenblick nicht gegriffen bekommen aber wenn wir Bomben werfen, bekommen wir sie auch nicht gegriffen. Ich möchte aber, dass man sie kennt, dass man sie weiß, das beschränkt sie. Überall wo sie hinreisen laufen sie Gefahr, dafür verurteilt zu werden.
Das ist vernünftig und dann brauchen wir dort natürlich eine politische Lösung. Die hätten wir ja schon längst, wenn beide Seiten sich mal vereinbart hätten keine Waffen zu liefern. Verstehen sie, wenn Russland an Assad keine Waffen lieferte und Katar und Saudi - Arabien und die USA und andere nicht an die Aufständischen Waffen lieferten, wäre der Bürgerkrieg schon zu Ende.

SWR: Welche Rolle muss nach Ihrer Meinung Deutschland spielen in diesem Prozess?

MdB: Ganz klar, eine Vermittlerrolle. Wenn doch so ein Militärschlag kommt und die Türkei meint, jetzt ist die Zeit reif, dass sie doch mal was gegen Syrien machen müssen militärisch, was auch immer, dann wird Syrien antworten. - Das darf Syrien sogar auch nach dem Völkerrecht. Wenn Syrien aber antwortet, Raketen schießt, dann schießen deutsche Soldaten mit ihren Patriot – Raketen diese Raketen ab, dann sind wir Kriegspartei im Nahen Osten.
Ich bitte sie, das ist doch das aller letzte was Deutschland sich leisten kann. Deshalb sage ich, aber sofort die Patriot - Raketen und die Soldaten zurückziehen. Das kann man auch der Türkei erklären. Deutschland ist da völlig fehl, wir stehen da an der Grenze zu Syrien, wir stehen, wenn sie so wollen, im Nahen Osten und würden dann eine Kriegspartei im Nahen Osten werden. Absurd, wirklich absurd. Wir müssen da eine andere Rolle spielen. [...]
 Wenn Sie das ganze Interview lesen wollen und wissen, welcher Bundestags-Abgeordnete der Gesprächsparter des SWR war, dann klicken Sie zum Nachlesen hier oder zum Nachhören hier.

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