Montag, März 21, 2016

Von Sehnsuchts-Orten, Flüchtlingen, Asyl, Astrid Lindgren und: "Was hat das mit mir zu tun?"

Mola di Bari (Quelle)


I. Süd-Italien 1965 - 2016

»Die Apulierinnen und Apulier sind seit hundert Jahren in die ganze Welt gewandert, vor allem aber nach Nord- und Lateinamerika, Kanada und Australien.

So war es auch bei Sabino Rutigliano, als er vor über 50 Jahren nach Amerika aufbrach. 

Mit Hunderten von anderen Auswanderern stieg er in Bari auf ein Schiff und kam nicht wieder. „Ich wollte an die Universität und hatte dort mehr Möglichkeiten“, sagt er. - In den USA studierte er Wirtschaft und arbeitete viele Jahre als Angestellter der Stadt New York. Als er fortging, war er gerade 20 Jahre alt. -

Nach dem Tod seiner amerikanischen Frau war er im Jahr 2005 nach Mola di Bari zurückgekommen, 

um Ferien zu machen, und dann ist er geblieben. Aber seine Geschichte hat er nicht vergessen und er will auch nicht, dass die anderen dies tun. -

Heute betreut er das Immigrationsmuseum 
seiner Heimatstadt Mola di Bari an der Adriaküste, da, wo der italienische Stiefelabsatz beginnt.
Er winkt eine Schulklasse zum Eingang der weißen Burg am Meer, wo das Minimuseum mit Dokumenten, Videos und den Habseligkeiten der Auswanderer des Ortes eingerichtet wurde.



Youth-Weekend 2014 in Bari.
Quelle: Young Towards Europe 2020
Als Präsident des städtischen Tourismusvereins Pro Loco
bezieht er Schulklassen in Projekte mit ein, bei denen es um lokale Traditionen und ihre eigene Geschichte geht.
„Ich möchte, dass sie verstehen, woher sie kommen. Das ist die beste Impfung gegen Rassismus und Unverständnis über die Flüchtlinge, die heute von der anderen Seite des Meeres zu uns übersetzen“,

erklärt er.«
Gastlichkeit gelte für alle, findet der ehemalige Auswanderer. Nicht nur für Touristen.« [Quelle]
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"Das Schockerlebnis für die Bewohner der Küste von Bari

Screenshot wdr
war im August 1991 die Landung des Frachters „Vlora“ mit 20.000 albanischen Flüchtlingen an Bord. „Damals haben die Leute hier verstanden, dass ihr Auswandererland nun auch ein Einwandererland geworden ist“, sagt Sabino Rutigliano. Die Regierung in Rom war überfordert, die Menschen vor Ort haben pragmatisch geholfen – wie heute auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa. Die meisten Albanerinnen und Albaner sind geblieben. Sie bilden heute die weitaus größte Einwanderergruppe in Apulien, gefolgt von Migranten aus Marokko, China, Rumänien, Tunesien, Ukraine und Polen." [Quelle


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II. Deutschland 2015/16


  • Die Container für Flüchtlinge sind auch in Baden-Württemberg aufgestellt.
  • Vor Ostern 2016 entspannt sich die Lage: Die Stockbetten sind aufgestellt, aber bisher ist niemand eingezogen.
  • Bei den Landtagswahlen Mitte März 2016 erhielt die AfD ("Alternative für Deutschland") in Baden-Württemberg 809.311 oder 15,1% der WählerInnen-Stimmen.

Am Rande:
Bei den Landtagswahlen 1992 hatten "Die Republikaner" in Baden Württemberg 10,9% der abgegebenen Stimmen erhalten. (Damals unter dem soften Rolf Schlierer, Jahrgang 1955, von 1994 bis 2014 Bundesvorsitzender der Republikaner - der manchen als Vorläufer von Jörg Meuthen, Jahrgang 1961, gilt...).


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Im kleinen Sachsen-Anhalt erzielte die AfD bei den Landtagswahlen am selben Tag (13.3.2016) 24,2%:

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III. Schweden 1945 - 2016



Frage (von Sonja Esmailzadeh):

Der Rechtsruck in der EU, brennende Flüchtlingsheime, tätliche Angriffe. Siebzig Jahre nach Kriegsende, stellt sich
die Astrid Lindgrens Frage, 
weshalb die Menschheit so wenig aus der Geschichte lernt, 
erneut.

Karin Nymann:
Bei uns gibt es die Schwedendemokraten, eine rechte Partei, die für einen Aufnahmestopp von Flüchtlingen ist. Sie wird immer größer und fischt viele Stimmen aus allen Bevölkerungsschichten. Das ist sehr beunruhigend.

Frage:
Was hätte sie [Ihre Mutter Astrid Lindgren] dazu gesagt?

Karin Nymann:
Nach1945 haben die Menschen das Kriegsende enthusiastisch gefeiert. Von jetzt an wird die Welt endlich besser, so dachte man. Ich bin mir sehr sicher, dass wir als Kinder auch so dachten: Der Krieg war eine böse Zeit, die ist nun vorbei ist. Aber mit dem Bosnienkrieg verlor meine Mutter die Hoffnung, dass die Menschheit aus dem Krieg gelernt hätte und weiser geworden wäre. Das, was heute passiert, würde sie vermutlich zerstören, also bin ich froh, dass sie das nicht miterleben muss..

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"Und was hat das mit mir zu tun?  Die Geschichte meiner Familie"
von Sacha Batthyany
Kiepenheuer & Witsch 2016
ISBN-13: 978-3462048315
Sacha Batthyany, geboren 1973, ist Dozent an der Schweizer Journalistenschule und lebt seit 2015 in Washington, D.C., wo er für den Tages-Anzeiger und die Süddeutsche Zeitung als Korrespondent über Politik und Gesellschaft berichtet.
Rezension
"Sacha Batthyány, ist Spross einer alten ungarischen Grafenfamilie, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder eine, meist positive, Rolle in der Geschichte des Landes spielte. In der letzten Tagen des 2. Weltkrieges wohnte dort der Urgroßvater des Verfassers  mit dessen deutsche Schwägerin Margit, aus dem Hause Thyssen-Bornemisza. Sie war reich, lebenslustig, willensstark und rücksichtslos, wurde deshalb auch „Margit das Monster“ genannt. Außer der Grafenfamilie und dem Stammpersonal befanden sich an die 200 Juden im Anwesen, teilweise ortsansässig, die meisten wurden aber von deutschen Soldaten dorthin getrieben und standen unter deren Aufsicht. An einem Abend, als die Sowjets nur noch wenige Tagesmärsche entfernt waren, veranstaltete Margit ein rauschendes Fest und es ging das Gerücht um, dass zur vorgerückter Stunde Pistolen an die Gäste verteilt wurden und unter ihrer Anleitung wurden an die 180 Juden erschossen. Dieses Gerücht beunruhigt dermaßen den Urenkel Sacha, dass er beginnt, sich mit der Sache zu befassen und wird nach und nach wie besessen davon."  [Bild-Quelle]
Und was hat das mit mir zu tun?
Sacha Batthyány fragt sich selber, ob er damals den Mut gehabt hätte, Juden zu verstecken. Seine Antwort: Nein.

Mal sehen(?), was unsere Urenkel - falls wir welche haben - in 70 Jahren über uns zu berichten haben werden...
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Samstag, März 19, 2016

Die Flüchtlingsunterkunft, die Tante und die Angst des kleinen Mädchens vor den bösen Männern




Die Tante 
möchte mit ihrer kleinen Nichte, 2,5 Jahre alt, in die Stadt gehen. Der kürzeste Weg führt an einer Flüchtlingsunterkunft vorbei: Einem Haus, das eigentlich schon abgerissen werden sollte.

Die kleine Nichte möchte diesen Weg nicht gehen.
T: Warum nicht?
N: "Ich habe Angst!"
T: Warum?
N: "In dem Haus wohnen böse Männer."
T: Ich werde auf dich aufpassen und ganz dicht bei dir bleiben. Sollen wir es mal versuchen?

Die kleine Nichte stimmt zu. 
Sie gehen an dem Haus mit den Satelliten-Schüsseln vorbei. -


Auf einem Balkon steht ein Mann mit seiner kleinen Tochter und schaut hinunter.
Die kleine Tochter auf dem Balkon winkt der kleinen Nichte unten auf der Straße zu.
Die kleine Nichte winkt spontan zurück und lächelt.
Die Tante und ihre kleine Nichte gehen weiter.

T. Hast du noch Angst?
Die Nichte lacht...

"Sind Ausländer in deiner neuen Kita?" -
"Nein Mama, da sind Kinder." (Quelle: Barbara)