Sonntag, August 28, 2016

Scham beim Baden. Es gibt sie noch. Von Unterhosen, Jogginghosen und Burkini.

Ein Freibad in Berlin Neukölln am Columbia-Damm.

Das Magazin der Süddeutschen Zeitung schrieb im Jahr 2014 einem sehr schönen, humorvollen und lesenwerten Artikel über dieses "Columbia-Bad", angeblich "das berüchtigste Freibad Deutschlands". (Naja.): >>>

Leseprobe:
Die Normalität ist hier krass.

Ein Bademeister-Kollege sagt, er habe sogar den Koran gelesen. Passt mal auf, sagt er und geht zu der verschleierten Dame, die im Wasser steht.
  •  Jute Frau, wat machen Sie im Wasser?
  • Wieso, man darf hier doch mit Burkini baden!
  • Dit mein ick nich.
  • Meinen Sie wegen Ramadan? Ich schlucke das Wasser nicht.
  • Ick rede vom Koran.
  • Was wissen Sie denn vom Koran?
  • Ick habe den jelesen. Da steht: Eine Frau soll nich im selben Wasser baden wie ein Mann. Ick sehe aber viele Männer in diesem Becken.
Der Kollege grinst zufrieden. Man muss die mit ihren eigenen Waffen schlagen, sagt er.
Die Normalität ist hier krass. 
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Der Burkini ist nicht das Problem. 

Aus der Hausordnung:
  • In den Schwimmbädern ist von allen Badegästen Badekleidung zu tragen. Textilfreie Bademöglichkeiten werden besonders bekanntgegeben.
  • Bitte waschen Sie sich vor Benutzung unserer Einrichtungen und legen Sie dazu die Badebekleidung ab.
Der Burkini ist nicht das Problem.
Im Bad am Columbiadamm sagen die Bademeister per Lautsprecher Ja zum Burkini, Aufregerkleidungsstück der Woche. „Das Baden ist nur in Badebekleidung jestattet“, hört man aus dem Lautsprecher. Es folgt die Liste der jestatteten und vorjeschriebenen Badekleidung:
  1. Badehose oder
  2. Bikini oder
  3. Badeanzug oder
  4. Burkini.

Und die Bademeister sagen auch, welche Kleidungsstücke tatsächlich problematisch sind: „Jogginghosen sind keine Badebekleidung!“ Quelle: a.a.O. 

Dreharbeiten zum Film "Tod in Venedig" -
Bademoden anno 1911. Quelle
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Schade, dass diese Bademode für Herren aus der Mode ist. - Manch einem Mann in mittleren und reiferen Jahren würde sie sicher auch gut stehen. - Mir zum Beispiel.

Flüchtlinge in deutschen Schwimmbädern:  

"Manchmal falsche Kleidung und einige Nichtschwimmer":
Wie badet man richtig?
Schwimmen ist in Ländern wie Irak und Syrien kein Schulsport: Deshalb kann ein Teil der Flüchtlinge nicht schwimmen. Auch die Badeordnung will gelernt sein. Die Bäder hier haben sich auf die neuen Gäste eingestellt. 

Die deutschen BademeisterInnen berichten, dass auch viele Flüchtlinge sich genieren, nackig unter der Dusche im Bad zu stehen und sich "überall" öffentlich abzuseifen. - Die Lösung: Mann lässt die Unterhose an. - Und wenn dann im Bad selber Badebekleidung vorgeschrieben ist und die Unterhose verboten, dann bleibt manchmal nur die Jogginghose.-

Das Dilemma der Männer:
  • Wenn ich nackt dusche, schämen ich mich.
  • Wenn ich in Unterhose duschen und/oder in der Unterhose schwimmen, dann schämen sie sich auch (keine tolle adidas oder speedo-Marken-Badehose wie die Anderen).
  • Scheinbarer cooler Ausweg: Schwimmen in der coolen Jogginghose. 
Bekannt ist, dass "der Amerikaner" prüde ist:
"Während der und die Deutsche"  - außer in der Pubertät - meistens kein Problem haben, im hallenbad nackt unter der Dusche zu stehen und ganz nackig in die Sauna gehen, lässt "der Amerikaner" in der Sauna die Badeshose an. (Wie ist das eigentlich in der Dusche? - Lässt er sie dort auch an?)

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Scham in Latein-Amerika
Vor einigen Jahren in Mittelamerika in der Entwicklungshilfe: Um den Bauern und Bäuerinnen - die meisten katholisch oder evangelikal - aus den Bergen eine Freude zu machen, fuhren wir zusammen auf der Ladefäche eines LKWs an die Küste des Pazifik. Zum Baden. Diese Menschen waren fleißig, aber arm. Natürlich hatte niemand eine Badehose. Natürlich ziehen sich Männer und Frauen nicht in der Öffentlichkeit aus. - Was tun, wenn man/frau trotzdem zum ersten Mal im Leben wenigsten ein Stück weit ins Meer will? Man geht in voller Montur mit langer Hose, Unterhose, Oberhemd, Kleid ... bis zu den Knien ins Meer und planscht und bespritzt sich halb jauchzend, halb beschämt...


Nicht alle Menschen in der Welt haben sich wohl die Scham mit der Scham abgewöhnt. -
  • Ist das nun gut so oder schlecht so? 
  • Wer hat zu viel Scham - und wer zu wenig? 



Vielleicht ist es sowieso wichtiger, Hunger und Armut abzuschaffen, als den Burkini im Freibad und am Strand?
Deutschlands Haupt-Problem ???
Quelle: taz-Titelseite
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Sonntag, August 21, 2016

Es geht nicht Orient gegen Okzident und nicht Islam gegen Christentum. - clash of civilization

Warum nicht?
Weile der Liebe Gott (oder die Natur oder ...) die Arschlöcher (Pardon!) auf der Welt gleichmäßig verteilt hat. Man findet sie in jedem Land, in jeder Religion usw. - Und umgekehrt: Zu jeder Zeit und in jedem Land und in jeder Religion finden sich Versuche, Regeln für ein gutes und ethisches Zusammenleben der Menschen zu finden.
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Islam und Vielfalt
Frau Gümüsay ist mir persönlich nie begegnet, ich weiß nicht, was sie für ein Mensch ist. Aber ich weiß, dass ich ihre Artikel sehr gerne lese und dass sie zu den Themem Religion(en)/ Frauen/ Männer/ Feminismus/ Solidarität/ Auklärung ... viel und Gutes zu sagen hat.

Zum Beispiel:
"Seit einigen Jahren sprechen muslimische Frauenrechtlerinnen aus der Mitte der muslimischen Gemeinschaften vermehrt in der Öffentlichkeit und setzen sich zugleich für ihre innermuslimische (aber auch gesamtgesellschaftliche) Vielfalt ein – 
  • für die praktizierenden, 
  • die nicht praktizierenden, 
  • die Kopftuch tragenden, 
  • die Minirock tragenden, 
  • die kulturell lebenden, 
  • die gläubigen, 
  • die ehemals gläubigen, 
  • die fast gläubigen, 
  • die modischen, 
  • die akademischen, 
  • die beschwipsten, 
  • die nüchternen, 
  • die queeren, 
  • die straighten Musliminnen."
"Starke Frauen
und unkonventionelle Vorreiterinnen im Islam gibt es durchgehend seit der frühen islamischen Geschichte. Zwei Beispiele von Frauen um den Propheten Mohammed:
  • Khadidscha, die erste Person, die den Islam annahm, war eine erfolgreiche und selbstständige Geschäftsfrau, 15 Jahre älter als der Prophet und mit mehreren Kindern aus vorhergehenden Ehen.
  • Bild und Text-Quelle:
    taz vom 20.8.2016
  • Oder Umm Salama – sie ging als politisch weise, sich ihrer Position als Frau in der arabischen Gesellschaft des 6./7. Jahrhunderts bewusst und gleichzeitig dagegen ankämpfend in die – von Männern produzierten! – Annalen ein.
Bis heute gibt es inspirierende islamische Vordenkerinnen, die keine Kontroverse scheuen und den Islam als Grundlage dafür nutzen, patriarchale Strukturen zu hinterfragen und neu zu denken. Besonders die akademische Auseinandersetzung mit den religiösen Hauptschriften – dem Koran und den Hadithen – aus einer feministischen Hermeneutik heraus hat in den letzten Jahrzehnten die wohl wichtigsten und innovativsten Impulse innerhalb eines islamischtheologischen Rahmens hervorgebracht."

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Exkurs: Frauen in der katholischen Kirche

Quelle für Text und Screenshot
DIE WELT vom 2.8.2016 schrieb:

»Am Montag [1.8.2016] berichtete "Radio Vatikan", der Papst habe eine neue Gelehrtenkommission ins Leben gerufen. Sie soll untersuchen, welche Rolle weibliche Diakone in früheren Zeiten in der Kirche gespielt haben. Dass Franziskus die Frage nach Diakoninnen prüfen lassen will, hatte er bereits, völlig überraschend, im vergangenen Mai angekündigt;
[...] bevor Franziskus über die Einführungen von Diakoninnen nachdenkt, lässt er nun eben erst einmal Beispiele für Diakoninnen der Vergangenheit sammeln. Das Muster bewährt sich seit Jahrhunderten. Es hilft den Konservativen, sich mit dem Wandel anzufreunden, und den Reformern, ernst genommen zu werden. [...] Das Gremium ist mit hochrangigen Theologen besetzt. Aus dem deutschsprachigen Raum sind die Wiener Professorin Marianne Schlosser sowie Karl-Heinz Menke, emeritierter Professor der Uni Bonn, dabei. Leiter wird die Nummer 2 der Glaubenskongregation, der spanische Erzbischof Luis Ladaria

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Papst Franziskus lässt in seiner Kirchgeschichte suchen - Islamische Feministinnen suchen in ihrer Geschichte:



"Dies belegen neben den Arbeiten der
  • US-amerikanischen Theologin Amina Wadud
  • auch jene am Korantext von der
  • Amerikanerin Ayesha S. Chaudhry,
  • der türkischen Wissenschaftlerin Hidayet Şefkatli Tuksal
  • oder der Ägypterin Omaima Abou-Bakr,
  • der Aktivismus einer Hind Makki
  • oder die Arbeit an historischen Biografien weiblicher Muslime von Asmaa Sayeed.
Diesen Arbeiten ist gemein, dass sie nicht nur akademische Grundlagen formulieren, sondern immer auch muslimische Frauen in ihrer Identität als Musliminnen stärken.

Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Organisationen und Initiativen wie
  • das Aktionsbündnis muslimischer Frauen oder
  • das Zentrum für islamische Frauenforschung und Förderung.
Seit Jahren leisten diese Institutionen ebenso wie viele Frauen wichtige Arbeit auf akademischer und theologischer Ebene. Um nur einige zu nennen:
auf aktivistischer Ebene
Dabei sind sich keineswegs alle islamischen Feministinnen in allen Punkten einig."
[Quelle: a.a.O.]
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Exkurs: DIE BIBEL in gerechter Sprache

Bildquelle

Die Frauen und Männer, die bei der „Bibel in gerechter Sprache" Hand angelegt haben, wollten u.a. in der Übersetzung darauf achten, den Ton der Bibel weiblicher (und jüdischer) als in der Luther-Übersetzung, in der Zürcher Bibel oder in der katholischen Einheitsübersetzung klingen zu lassen.
Sie wollen auch die verborgenen, verzerrten, verlorenen Stimmen von Frauen in der Bibel selbst zu Gehör bringen - mit dem überlieferten Bibeltext und notfalls auch gegen ihn. [mehr dazu

Die Bibel in gerechter Sprache ist eine Übersetzung der biblischen Schriften aus den ursprünglichen Sprachen (griechisch und hebräisch) ins Deutsche. Sie wurde in den Jahren 2001 bis 2006 von 40 weiblichen und 12 männlichen Bibelwissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erarbeitet und erschien offiziell zur Frankfurter Buchmesse 2006. Die Bibel in gerechter Sprache ist sowohl theologisch als auch sprachlich umstritten. Während sie einigen als sinnvolle Ergänzung der bisherigen Übersetzungen gilt, sehen viele andere – darunter der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – das Ergebnis sehr kritisch. [wikipedia

Mit anderen Worten: Auch die christlichen Frauen (und Männer) haben es mit diesem ihren Anliegen nicht leicht gehabt.
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Die muslimischen Frauen (und Männer) haben es jedoch noch schwerer.
Kübra Gümüsay [a.a.O.]

»Muslimische Communities in Deutschland und muslimische Frauen im Speziellen stehen in all ihren innerreligiösen Prozessen mit dem Rücken zur Wand.
Muslimische Frauenrechtlerinnen und Feministinnen – es gibt im Übrigen selbstverständlich auch Männer – sind es gewohnt, dass MuslimInnen, die eine patriarchale Auslegung des Islams aufrecht zu erhalten versuchen, das reiche historische Erbe an starken Frauen ausschweigen und Koranverse, die die Gerechtigkeit und Gleichheit unter den Geschlechtern feststellen, nur eingeschränkt gelten lassen wollen. [...]
Dabei kämpfen diese Frauen ohnehin an (mindestens) zwei Fronten:
  1. Innerhalb der Gemeinden gegen frauenfeindliche Auslegungen des Islam;
  2. in der Mehrheitsgesellschaft gegen die plumpe Narrative des patriarchalen, sexistischen und gewalttätigen Islam.
Auf beiden Seiten geht es darum zu beweisen, dass der Islam in seinen Grundzügen eine Basis für Gerechtigkeit aller Menschen bieten kann.
Ähnlich ist es bei christlichen Feministinnen.
Antje Schrupp, feministische Publizistin, sagt: „Hätten christliche Feministinnen unter dem gleichen öffentlichen Druck gestanden wie muslimische, wäre die ‚Bibel in gerechter Sprache‘ womöglich nie erschienen.“ «
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Das goldene Zeitalter des Islam

Der Zeitraum zwischen dem 8. und dem 13. Jahrhundert
wird gerne als das „goldene Zeitalter des Islam“ betrachtet.

Das war das Zeitalter des großen kulturellen Aufschwungs in der Philosophie, Naturwissenschaften, Baukunst, Medizin, Sprach- und Geschichtswissenschaften, der zu einer Blüte der Islamischen Welt führte. Genau in dieser kulturellen Blütezeit der islamischen Welt, liegen die Wurzeln des muslimischen Überlegenheitsgefühls gegenüber dem Westen, der sie mit Stolz erfüllt. Während den Kreuzzügen trafen die Kreuzfahrer auf eine Zivilisation, die ihnen weit überlegen war. Dann verschob sich das Gleichgewicht zu Gunsten der Europäer und die islamische Welt erstarrte in alten Traditionen, bis sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts, mit einem überlegenen Westen konfrontiert wurden." [Quelle]

Am Rande: Das Schicksal der islamischen Kultur ist in diesem Punkt vergleichbar mit dem der chinesischen Kultur.
Auf dem Flipchart sieht man die Namen einiger islamischer (männlicher) Theologen, die in der islamischen Theologie das gleiche Schicksal erlitten haben wie die katholischen Befreiungs-Theologen in der katholischen Kirche. Der clash of civilisation und der clash of religions verläuft hier nicht zwischen diesen islamischen Theologen (aus Iran, Marokko, Arabien...) und den christlichen aus Südamerika, Europa und den USA, sondern innerhalb der islamischen Tradition, innerhalb der christlichen Tradition, innerhalb des Orients und innerhalb des Westens.



Montag, August 08, 2016

Zauberland ist abgebrannt. - Die EU, Rio Reiser, Konrad Adenauer und Carlo Schmid.

Zum Buch
Die Urgroßväter der EU
und die Politiker, die nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs den Kontinent befrieden und einigen wollten, hatten eine Vision.

"Sie wollten nicht das Paradies auf Erden, nicht die klassenlose Gesellschaft, das gewiss nicht. Aber sie wollten sehr Konkretes":

·       "Wohlstand für die Völker" (Konrad Adenauer),
·       ein Europa "der sozialen Gerechtigkeit" (Carlo Schmid).


So schreibt es zumindest der deutsche Journalist  Arno Luik (Jahrgang 1955). - Ob diese Zitate so stimmen und woher sie genau stammen, weiß ich nicht. Nehmen wir mal an, das haben die beiden, also Konrad und Carlo so gesagt - und auch so gemeint.

Als die Europäische Union dann gegründet wurde, 
zunächst mal als "Europäische Wirtschaftgemeinschaft" (EWG), da war ich noch einiges jünger.
"Die Anfänge der EU gehen auf die 1950er Jahre zurück, als zunächst sechs Staaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gründeten. Eine gezielte wirtschaftliche Verflechtung sollte militärische Konflikte für die Zukunft verhindern und durch den größeren Markt das Wirtschaftswachstum beschleunigen und damit den Wohlstand der EU-Bürger steigern" [wikipedia
Quelle

Ich selber habe in Erinnerung, dass im Zusammenhang mit der EU damals oft von einem
"Europa der Monopole" 
gesprochen wurde, ich weiß aber nicht mehr, wann das genau war. Und bei Google ist dieses Stichwort offenbar auch verloren gegangen oder verloren gegangen worden: Ich kann es dort nicht finden.
Gemeint war damit:  
Ziel der EWG und später der EU sei bei den Veträgen von 1951/1957/1992/2007
  • eben gerade nicht "Wohlstand für alle Völker" 
  • und schon gar nicht "ein Europa der sozialen Gerechtigkeit", 
  • sondern Wohlstand für alle großen Konzerne Deutschland und Frankreichs, 
freier Kapital-Verkehr durch eine Währung für alle beteiligten Länder, grenzenloser Geldfluss und grenzenlose Fluss für benötigte Arbeitskräfte, freie Fahrt für LKWs und ihre Waren über die europäischen Binnengrenzen.

Und so geschah es.

Dabei fiel auch etwas für die Normal-Bevölkerung ab. 
Nach der Pferde-Spatz-Theorie:

Franz Marc 1908/09
Wenn man die Pferde, die Konzerne, ordentlich füttert, dann kommt hinten für die Spatzen automatisch auch genug heraus:
Gute Löhne, Freie Fahrt in den europäischen Urlaub, keine Staus an den Grenzen, der Eurostecker für Fön und Rasierer passt überall...
 Die BürgerInnen waren es lange Zeit zufrieden. 

"Eine Häufung ungelöster Probleme bestimmt die EU-Agenda dann in der 2010er Dekade. Mit der Eurokrise, der Flüchtlingskrise ab 2015 und dem britischen Austrittsvotum durch Referendum im Juni 2016 steht die weitere Entwicklung der Europäischen Union auf neue Weise grundsätzlich in Frage." [wikipedia a.a.O]  _____________________________________________________


Franz Marc, Der tote Spatz, 1905

Aber: Der Spatz spielt nicht mehr mit. 
Zumindest nicht in Griechenland, Spanien, Porugal, wo die Pferde zwar immer fetter werden, aber immer mehr Spatzen vom Himmel stürzen.
Im reichen Deutschland verhungern die Spatzen noch nicht, die ärmsten unter ihnen bekommen noch Brotsamen vom Staat, die Zeitarbeit, HartzIV und so ähnlich heißen - man fühlt sich relatib sicher, aber auch die gut ernährten Spatzen bekommen es so langsam und mehr und mehr mit der Angst zu tun, dass auch sie einmal hungrig vom Himmel fallen könnten und auf die Brosamen des Staates angewiesen sein werden. Weil die Pferde offenbar doch nicht so automatisch funktionieren: Die Spatzen wählen AfD in Deutschland, steigen in England aus der EU aus (Brexit), in Griechenland versuchten sie den Aufstand (Syriza ...).

Zauberland ist abgebrannt. Der Traum von Carlo und Konrad ist vörläufig aus.

"Ich hab geträumt, der Winter wär vorbei
Du warst hier und wir waren frei.
Und die Morgensonne schien.
Es gab keine Angst und nichts zu verlier'n,
Es war Friede bei den Menschen und unter den Tier'n.
Das war das Paradies.

Ref.: Der Traum ist aus.
Der Traum ist aus.
Aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird.

Ich hab geträumt, der Krieg wär vorbei.
Du warst hier, und wir waren frei.
Und die Morgensonnen schien.
Alle Türen waren offen, die Gefängnisse war'n leer.
Es gab keine Waffen und keine Kriege mehr.
Das war das Paradies."
(T/M Misha Schöneberg & Ralph Christian Möbius alias Rio Reise um 1990)
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Der Bericht von Gert Möbius aus diesen Tagen erinnert mich an die heutige Situation:

Deutschland Ende der 1980er Jahre
In der Bundesrepublik hab es kaum noch große Demonstrationen. Jeder kochte mittlerweile sein eigenes Süppchen. Nicht aber im Osten. Da brodelte es schon.
 

Von dort, aus der DDR, bekamen Ton-Steine-Scherben, die es als Band gar nicht mehr gab, und Rio Reiser, die jahrelang von der DDR-Führung nicht akzeptiert, aber von vielen Fans in ihrem Land erwünscht worden waren, plötzlich durch die FDJ [Frei Deutsche Jugend] die Anfrage, 

Zwei Konzerte am 1. und 2. Oktober 1988 in der Werner-Seelenbinder-Halle zu bestreiten.

Diese Halle (sie wurde nach der Wende abgerissen) fasste um die 6000 Zuschauer. Und sie war an beiden Tagen ausverkauft. Außerdem sollte das Konzert zeitversetzt vom Fernsehen übertragen werden. Tatsächlich nahmen das DDR-Fernsehen und der Radiosender DT64 die Konzerte auf, und wir [Brüder Möbius] haben im Jahr 2000 dieses einmalige Dokument aus der Vorwendezeit sowohl in Bild und Ton als auch als DVD und CD des Labels MöbiusRekords einem breiten Westpublikum zugänglich machen können.


Bei dem Song »Der Traum ist aus« kollabierte das Publikum beinahe, 
und Lutz Kerschowski (Ost) und Rio Reiser (West) zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne der Werner-Seelenbinder-Halle. 

Bei dem Refrain: »Dieses Land ist es nicht« 
machten 6000 Menschen ihrem Zorn auf ihre Regierung Luft und trampelten, dass die Halle bebte. Obgleich der Band zugesichert worden war, dass sie keine Eingriffe durch die Zensur zu befürchten hätten, wurde der Song in der Fernsehübertragung nicht gesendet, aus technischen Gründen, wie es hieß. 
Bei Amazon kann man immer noch Kommentare zu den Konzerten lesen: »Man muss sich einfach mal in die Situation der Aufnahme hineinversetzen: 
Hunderte DDR Bürger singen trotz (oder gerade wegen?) Stasibespitzelung den Text mit, in dem Rio fragt: 

>Gibt es ein Land auf der Erde, in dem der Traum Wirklichkeit ist?

Ich weiß es wirklich nicht.

Ich weiß nur eins, und da bin ich sicher

DIESES LAND IST ES NICHT!

DIESES LAND IST ES NICHT!

DIESES LAND IST ES NICHT!<



Und die letzten Zeilen werden vom Publikum aus vollen Herzen mitgesungen und bringen die Unzufriedenheit der DDR-Bürger zum Ausdruck wie wohl niemals sonst. 

Bei jedem Hören dieser Stelle bekomme ich [Gert Möbius] eine Gänsehaut! Das ist mehr als Musik, das ist auf Tonträger festgehaltene Geschichte.
Spätestens da hätte die Stasi anfangen müssen, ihre Akten zu vernichten, wenn sie irgendwie schlau gewesen wären (hinterher ist man immer schlauer).

 Auch wenn beabsichtigt war, der Band >die schönen Seiten der DDR< zu zeigen, 
entging ihnen nicht, dass etwas im Gange war. »Bei der Party wurde über alles Mögliche gesprochen, aber was sich vermittelte, war, dass sich eine Trendwende abzeichnete«, erzählte Rio. »Ich würde im Nachhinein sagen, dass die junge Garde, die FDJ, auf dem Sprung war, die Macht zu übernehmen. 

Ich weiß jetzt nicht genau, wann die Sache mit Freya Klier und Stefan Krawczyk war, '88 oder '89, aber die Oppositionsbewegungen gab es schon. Es war schon zu erkennen, dass sich da irgendwas dreht innerhalb des Apparates.« 

Rio gehörte zu denjenigen, die nach dem Mauerfall, nach der Wende nicht die schnelle Wiedervereinigung befürwortet haben. Er empörte sich darüber, dass versucht wurde, »die ganze Identität zu eliminieren, nach dem Motto: 


>Wir stellen Ihnen eine wunderbare Identität zur Verfügung, die westdeutsche Identität, das heißt Freiheit, also Reisefreiheit, Geld verdienen, Leistung — die können Sie haben, schaffe, schaffe Häusle baue — und verrecke, sagt der Schwabe!< Diese Identität war im Angebot, mit der anderen Identität war es vorbei.
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Der Traum ist aus.
Dieses Europa ist es nicht. 
Dieses Europa ist es nicht.
Dieses Europa ist es nicht. 
Wir stellen Ihnen eine wunderbare Identität zur Verfügung, die EU-Identität, das heißt Freiheit, also Reisefreiheit, Geld verdienen, Leistung — die können Sie haben.  Diese Identität ist im Angebot, mit der anderen Identität ist es vorbei.
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Siehe auch:

Samstag, August 06, 2016

Hysterie in Germany - German Angst - 18-Jähriger erschoss neun Menschen in München.

Als ich am letzten Samstag "vom Griechen" nach Hause kam, hatte ich schon die erste Mail zum Thema im Email-Postfach:
Wieder ein islamistischer (?) Anschlag....

„Scheißkanake!“, 
brüllt der Rentner, eine rassistische Beschimpfung, die ihm wohl als Erstes (!) einfiel, 
und als Antwort bekam er von Ali David S.: 
„Ich bin Deutscher. Ich bin in Deutschland geboren.“

 

»Das Gefühl einer neuen Bedrohung „nach München“ bleibt, und es verfestigt sich zu einer Art gefühlten Wahrheit. Es kann jeden treffen."« (Sonja Vogel, Jouralistin)
Ja, das kann es.
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Exkurs:

"Der vermutlich erste Mensch,
der im motorisierten Straßenverkehr getötet wurde, war Bridget Driscoll, die am 17. August 1896 in London beim Überqueren einer Straße von einem Automobil mit Verbrennungsmotor erfasst wurde und wenige Minuten später an der zugefügten Kopfverletzung starb.
Als der erste Unfalltote des motorisierten Verkehrs in Amerika gilt Henry Bliss, der am 13. September 1899 in New York von einem Elektroauto(!) angefahren wurde und an den Verletzungen am folgenden Tag starb." [wikipedia]

In Deutschland
gab es 2015 im Straßenverkehr 3475 Tote.
  • Alle 2,5 Stunden starb 2015 in Deutschland ein Mensch im Straßenverkehr. 
  • Von Januar bis April 2016 waren es knapp 900:
  • Alle 3 Stunden starb in den ersten 4 Monaten 2016 ein Mensch in Deutschland im Straßenverkehr.
  • Beantworte die Frage, wie viele Menschen aktuell durch islamistische Killer in Deutschland getötet wurden. 
  • Ist jeder pubertierende junge Mann, der bei einem Suizid/ Attentat/ Amoklauf "Allahu Akbar" ruft, ein islamistischer Terrorist? 
  • Warum sonst könnte er es rufen?

Immer noch ist es wahrscheinlicher, dass Sie sterben, wenn Sie in ihr Auto steigen, als Opfer des Terrorismus zu werden. Zumindet in Deutschland und Europa.

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Exkurs 2:
  • Jede halbe Stunde wird in Brasilien ein schwarzer Jugendlicher erschossen.
  • Jede halbe Stunde ertrinkt in Europa ein Flüchtling im Mittelmeer.
  • Ein Gefühl der Dankbarkeit schleicht sich ein: Gut, dass ich kein schwarzer Jugendlicher in Brasilien bin. Gut, dass ich nicht flüchten muss. Gut, das ich in Deutschland wohne.

»Das Gefühl einer neuen Bedrohung „nach München“ bleibt, und es verfestigt sich zu einer Art gefühlten Wahrheit. Es kann jeden treffen."« (Sonja Vogel, Jouralistin)

Dieses Gefühl, wenn man nun in eine U-Bahn steigt. Auf einem belebten Platz ist....

  • Ist das nun so wie mit der Flugangst? - Ja, ich kann abstürzen. Aber Auto fahren ist gefährlicher. Ich sollte eigentlich eher "Fahr-Angst" haben als Flug-Angst.
  • Oder ist es eher Hysterie?
    Und wo kommt die dann her?
    Wird sie erzeugt?
    Wen ja: Von wem und warum?
    Wollen Verlage damit Geld verdienen?
  • Warum setze ich mich ohne Panik und Angst in mein Auto?
  • Warum steht nicht jeden(!) Tag groß auf der Titelseite der Zeitungen: "Wieder 9 Tote durch Verkehrsunfall" ? 
  • Müsste ich nicht auch jeden Tag mit Angst in die Schule gehen: Läuft heute wieder ein Schüler Amok? _______________________________________________

In München tötete ein in Deutschland geborener Junge, der stolz darauf war, ein Deutscher zu sein, sogar ein "Arier". - Acht der neun Opfer waren Menschen mit Migrationshintergrund.


„Die grausame Tat, der fast ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund zum Opfer fielen, [war] ein Anschlag auf das bunte, das vielfältige und tolerante München.“ 
[Dieter Reiter, Oberbürgermesietr von München, bei der Trauerfeier für die Opfer]

Jede halbe Stunde wird ein schwarzer Jugendlicher in Brasilien erschossen. Jedes halbe Stunde ertrinkt ein Flüchtling im Mittelmeer.

Verfasse einen passenden Satz für Deutschland.

Zum Beispiel:
  • In Deutschland wird nicht jede halbe Stunde ein Schwarzer erschossen.
  • In Deutschland ....
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