Samstag, Mai 12, 2018

Herr Seehofer macht den Deutschen Angst. Warum? Und wozu?

Presseschau
Beispiel I:

Warum fühlen sich die Menschen verunsichert, obwohl Deutschland sicherer geworden ist? Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bot bei der Vorstellung der Zahlen zwei Erklärungen.
1. So hätten die Deutschen bei der Zuwanderungswelle 2015/2016 einen „Kontrollverlust“ der Bundesregierung erlebt, der immer noch nachwirke.
2. Wenn der Staat wie während der G20-Demonstrationen in Hamburg rechtsfreie Räume zulasse, führe das ebenfalls dauerhaft zur Verunsicherung. 
[Quelle]
Presseschau
Beispiel II:
Und nun steht der Chef einer Partei, die sich seit dem 24. September 2017 und bis zum 14. Oktober 2018 im Wahlkampf befindet, in Berlin und präsentiert als Bundesinnenminister die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2017.
Diese Statistik sagt eigentlich etwas ganz Anderes aus, als Seehofer gebrauchen kann: Nämlich, dass die Zahl der Straftaten auf dem niedrigsten Niveau seit 30 Jahren ist. Dass die Aufklärungsquote so hoch wie nie seit Beginn der Zählung ist. Doch Fakten sind nun mal etwas anderes als ein Gefühl. Das wiederum lautet, dass alles viel schlimmer als früher ist. Damit macht die AfD Wahlkampf. Und das ist Seehofers Problem.

Weil Seehofer nicht löschen kann, zündelt er lieber selber.
3. Wir leben in einer komplett durchdigitalisierten Welt, im Informationszeitalter. Wenn in Frankreich jemand ermordet wird, in Indien jemand vergewaltigt wird oder auf Hawaii ein Vulkan Asche spuckt, dann wissen wir das. Nicht erst nach Tagen oder gar Wochen, sondern innerhalb von Minuten. 2016 verschickte die Deutsche Presse-Agentur DPA rund 1.200 Eilmeldungen, also durchschnittlich mehr als drei am Tag. Alleine 28 innerhalb von 16 Stunden zum Putschversuch in der Türkei, 20 binnen 23 Stunden zum Amoklauf am OEZ.

Wenn irgendwo irgendetwas passiert, sind wir informiert – selbst wenn wir gar nicht betroffen sind. Während man früher seine paar Informationen aus einer Tageszeitung und der Tagesschau bekam, ist man nun einer Flut an Infos, einem regelrechten Überangebot an Nachrichten ausgesetzt. In der Folge wirkt es so, als sei alles viel extremer als vorher – das Gute und vor allem das Schlechte. Und dass sich schlechte Nachrichten immer stärker als gute im Gedächtnis festsetzen, ist der Brandbeschleuniger, der aus einem Strohfeuer einen Flächenbrand macht.

4. Diesen Flächenbrand kann Seehofer mit ein paar guten Worten und einer schönen Statistik nicht löschen – also zündelt er stattdessen selber weiter. Seehofer klingt wie Herrmann, Bundesinnenminister wie Bayerischer Innenminister.
5. Klar, denn beide haben dieselbe Mission: Rettung der absoluten Mehrheit im Freistaat, oder anders ausgedrückt: kein Fußbreit der AfD. Deshalb werden Ängste bedient und wird am rechten Rand gefischt. Und das ist schäbig.
[Quelle]
Das sind einige der Erklärungen, die "man" so lesen kann:
  • Angst vor Terrorismus. (Die Wahrscheinlichkeit, in der eigenen Badewanne zu ertrinken, sei elf mal so groß wie die. Opfer eines Terroristen zu werden)
  • Angst von Teilen der Bevölkerung vor zu viel Zuwanderung. (Schuldig: Kanzlerin Merkel)
  • Angst vor Demonstrationen in rechtsfreien Räumen. (Schuldig: Gewalttätige Demonstranten und Weicherer bei der Polizei)
  • Wenn irgendwo in der Welt irgend etwas passiert, und sei es, dass in China ein Sack Reis umfällt, wissen wirheute binnen Sekunden darüber Bescheid. (Schuldig: Die Medien und die Digitaliserung)
  • Parteipolitik: Es ist für die CSU nicht schlimm, dass die AfD "rechts" ist, nein, schlimm ist, wenn "die Rechten" AfD wählen statt CSU, denn das kann die CSU nicht schlecht bezahlte Pöstchen im bayerischen Parlament, in der bayerischen Landesregierung und ggf. auch auf der Bundesebens kosten. Rechts von der CSU darf es keine andere Partei geben. (Schuldig: Politiker, die Angst schüren und zündeln aus egoistischen, selbstsüchtigen Motiven.)

Was muss man also tun?
Merkel muss weg,
die AusländerInnen müssen weg,
Protest gegen die Weltwirtschaftordnung muss weg,

Gutmenschen bei der Polizei und anderswo müssen weg,
"die" Digitalisierung muss weg,
"die" Medien müssen weg, "die" Globaliserung muss weg,
die AfD muss weg - und deren WählerInnen müssen wieder CSU(CDU) wählen.
Sonst kann eigentlich alles so bleiben wie es ist.
So weit, so klar. - Oder?
Weitere Maßnahmen:
  • Die Faulen werden geschlachtet,
  • die Welt wird fleißig.
  • Die Häßlichen werden geschlachtet,
  • die Welt wird schön.
  • Die Narren werden geschlachtet
  • die Welt wird weise.
  • Die Kranken werden geschlachtet,
  • die Welt wird gesund.
  • Die Alten werden geschlachtet,
  • die Welt wird jung.
  • Die Traurigen werden geschlachtet,
  • die Welt wird lustig.
  • Die Feinde werden geschlachtet,
  • die Welt wird freundlich.
  • Die Bösen werden geschlachtet,
  • die Welt wird gut.
aus: Erich Fried: gesammelte Werke. Bd. 1. Wagenbach Verlag. München 1993, S. 565. © Claassen.
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"Die Wissenschaft hat festgestellt"
Im täglichen Sprachgebrauch wird oft nicht zwischen Furcht und Angst unterschieden, obwohl es sich um zwei unterschiedeliche Dinge handelt. 
Angst ist ein diffuses Gefühl, ich kann Angst haben, ohne genau zu wissen, warum und wovor ich Angst habe. Ein Kind, ein Mensch kann Angst haben, ohne dass diese Angst wirklich begründet ist (Angst vor Gespenstern, einem strafenden Gott; Angst, wenn die Mutter das Zimmer verlässt...) Angst kann berechtigt sein, übertrieben sein, krankhaft sein (Phobie), gesund sein:
[...] Aus biologischer Sicht sind diese Reaktionen wichtige Komponenten unseres Verhaltens: Sie schützen uns vor Einflüssen, die unangenehm oder sogar schädlich sind. So lernt jede/r durch Beobachtung, Instruktion oder schmerzvolle Erfahrung, bestimmte Verhaltensweisen zu vermeiden, aus Angst davor, verletzt zu werden. [Quelle u.a.]
Angst kann typisch für bestimmte Kulturen sein oder ihnen zugeschrieben werden (German Angst), sie kann typisch sein für bestimmte Zeitalter. Man kann jemand Angst machen und Angst schüren.

Angst kann psychologisch "verschoben" , wie Sigmund Freud entdeckte. Beispiel: Ein Angestellter fühlt sich von seinem Vorgesetzten, der ihn ständig wegen Kleinigkeiten rügt, ungerecht behandelt. Er setzt sich jedoch nicht gegen ihn zur Wehr, sondern statt dessen kritisiert die Arbeit seines Praktikanten. [Quelle]

Über das Buch
Über das Buch
Wenn die Angst nicht diffus ist, sondern sehr konkret und berechtigt, wenn ich genau weiß, warum und wovor ich Angst habe (der Löwe auf freier Wildbahn, die Giftschlange vor meiner Nase, der Mann, der mich mit einem Messer bedroht und mich ausrauben oder vergewaltigen will...) spricht man in der Regel von "Furcht" statt von Angst.

Wie ist es also nun um die German Angst, die deutsche Gesellschaft der Angst, die Angst vor Überfremdung, vor Terrorismus, die Angst vor Umvolkung, vor dem Rechtspopulismus, vor rechtsfreien Räumen, vor den "Chaoten" des Hamburger G20-Gipfels, den Zuwanderern bestellt?

  • Typisch German Angst?
  • Berechtigte Angst?
  • Begründete Furcht?
  • Verschobene Angst?
  • Krankhafte Angst?
  • Geschürte Angst?
  • Übertriebene Angst? 
  • Instrumentalisierte Angst?
  • Angst-Macherei?
  • ...  ?

Und was sind dann die "richtigen" Maßnahmen?
Mauern bauen?
Schiffe versenken?
Wohnungen bauen?
Nationalismus?
Nummer Eins werden?
Zu Sankt Florian beten? (Verschon mein Haus, zünd` andere an)
Polizeigesetzte verschärfen?
Wen schlachten?
...

Mehr dazu unter: "Wovor wir uns wirklich fürchten sollten" (folgt).




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